CD Kritik Progressive Newsletter Nr.36 (07/2001)

Rainy Season - Return
(41:22, Boheme, 1992)

Immer wieder gelingt es Boheme aufs neue, unbekannte Juwelen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion auszugraben. Dieses mal geht um die 9 Jahre alten Aufnahmen des aus St.Petersburg stammenden Duos Rainy Season. Der Blick auf das Instrumentarium, welches Maxim Pshenichny (Gitarre, Bass, Keyboards, Stimme) und Alexey Petroc (Schlagzeug, Glockenspiel, Triangel) bedienen, lässt zuerst einmal auf recht gewöhnliche Musik schließen, doch in den drei Kompositionen (7:00, 14:19, 20:00) geht es hauptsächlich um Traumwelten aus sphärisch-schwebenden Klanglandschaften. Doch nicht bedeutungsschwangeres, aber inhaltlich leeres New Age Gesummsel kommt aus den Boxen, sondern auf mystischen Keyboardteppichen, breitet sich langsam, aber bedächtig, sachter, minimalistischer Rhythmus aus. Das Duo lässt sich viel, aber nicht zu viel Zeit, um langsam die Stimmungen ansteigen zu lassen. Doch plötzlich schreit die Gitarre in Frippscher Manier in den Raum, das Schlagzeug setzt ein, feine Basslinien unterstützen den Rhythmus und aus der langgezogenen Ruhe erwachen gezügelte Emotionen. Dabei verstehen es die beiden Russen ausgezeichnet mit minimaler Songentwicklung, aber sehr viel Atmosphäre zu arbeiten. So passiert zwar inhaltlich nicht sehr viel, doch Stimmung und wechselnde Melodieführung durch Keyboards, Gitarre oder Bass, bei fast schon hypnotischen Rhythmen, verleihen der Musik Tiefe und Ausstrahlung. Will man Vergleich ziehen, so fallen einem zuerst elektronische Soundpioniere wie Vangelis oder Tangerine Dream ein, zudem finden sich Elemente der ProjeKcts von King Crimson wieder, jedoch ohne deren ganz abgedrehten Momente. Zudem gibt es auch Verwandtschaft zu stammesähnlichen Ethnosounds, wie sie zum Teil bei Ole Lukkøye oder Ozric Tentacles verwendet werden. Ein Album, auf dessen Ruhe man sich einlassen können muss. Deswegen nichts für all diejenigen die Gefrickel oder ein Breakfestival erwarten. Doch beweist dieses Album, dass man auch mit anscheinend wenig wechselnder Stilvielfalt und der Besinnung auf die Ausdruckskraft von Klängen, interessante Hörerlebnisse schaffen kann.

Kristian Selm



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