CD Kritik Progressive Newsletter Nr.35 (05/2001)
Sagrado - A leste do sol, oeste da lua
(70:16, Sonhos e Sons, 2001)
Na, gibt es denn so was, ein neues Album von Brasiliens Vorzeige-Artrockern Sagrado! Nachdem die ersten beiden Veröffentlichungen "Sagrado" und "Flecha" schon in den 80er Jahren aufhorchen ließen, gelang der Band 1991 mit "Farol da libertade" der Durchbruch. Damals beeindruckte die Band mit ihrer Mischung aus Melodic- und Art-Rock, über der Musik thronte Marcus Viana mit seinem Violinenspiel und seiner angenehmen Stimme. Hinzu kam noch ein spürbarer Einfluss aus der klassischen Musik. Damit fand die Gruppe nicht nur ihren eigenen, unverwechselbaren Stil, sondern "Farol da libertade" wurde zu einer der wichtigsten Veröffentlichungen des Progressive Rocks in Südamerika und hat insbesondere viele brasilianische Gruppen inspiriert. Es folgte noch 1993 das Album "Grande espirtu", dann wurde es still um Sagrado. In den Folgejahren schrieb Sagrados Mastermind Marcus Viana lieber Musik für verschiedene TV-Produktionen, was ja auch finanziell lukrativer ist. Pünktlich zum 20jährigen Bestehen der Band erscheint nun "A leste do sol, oeste da lua". Wer sich nun auf eine Fortsetzung von "Farol da libertade" gefreut hat, wird zunächst enttäuscht, denn die 15 Stücke auf dem Silberling lassen nicht viel Raum für Longtracks. Schon das Titelstück gleich zu Beginn der CD macht klar was man zu erwarten hat: eine wunderschöne Melodie wird geschickt mit einigen komplexen Einsprengseln versetzt, sanft fließt die Musik vor sich hin. Leider kommen die furios, virtuosen Einlagen von Viana an der Violine selten vor, auch Tempovariationen hätten der Musik gut getan. Aber nachdem man in der letzten Zeit auch innerhalb der Progressiv Rock-Szene den Eindruck gewinnen konnte, alles müsse immer noch schneller, komplexer und abgefahrener sein (was ja auch seine positiven Seiten hat), bilden Sagrodo mit ihrer neuen CD einen angenehmen Gegenpol. "A leste do sol, oeste da lua" ist sicher eher für ruhige, entspannte Situationen im Leben geeignet. Bleibt noch zu erwähnen, dass zwei Stücke jeweils auf den Werken von Puccini und Debussy basieren. Auch für den Gesang in portugiesischer Sprache soll hier eine Lanze gebrochen werden. Marcus Viana ist ein sehr guter Sänger, seine Texte behandeln zudem häufig ökologische Themen. Auf jeden Fall ist dies besser als ein Gesang in Englisch mit schlimmen Akzent, wofür südamerikanische Gruppen berüchtigt sind. Ein schönes Album, dass zeigt, dass Sagrado in Brasilien noch immer eine führende Rolle einnehmen. Ach ja, ein weiteres Album für dieses Jahr hat man bereits angekündigt.
Meinhard Foethke
© Progressive Newsletter 2001