CD Kritik Progressive Newsletter Nr.35 (05/2001)
Renaissance - Tuscanny
(49:25, Northern Lights Music, 2000)
Renaissance - ein Name der verpflichtet. Nach grandiosen Alben in den 70ern, die perfekt sinfonische und folkloristische Elemente verbanden, den weniger geglücktem, mehr poppigen Abgesang in den 80er und dem nachfolgenden Verschwinden in der Versenkung mit mehren Splitterbands in den 90ern, gibt es im Jahr 2001 endlich wieder die Rückkehr einer Formation, die den Namen Renaissance wirklich verdient. Mit dabei ist natürlich das Erkennungszeichen der Band schlechthin, die immer noch engelsgleiche Stimme Annie Haslams. Zwar optisch erkennbar erheblich gealtert, erreicht ihr Sangesorgan aber immer noch unglaubliche Höhen und sorgt damit für einen unverkennbaren Hörgenuss. Ebenfalls mit dabei Hauptsongschreiber Michael Dunford an der Gitarre, sowie Schlagzeuger Terence Sullivan und als Neuzugang, der ebenfalls nicht gerade unbekannte Keyboarder Mickey Simmonds (u.a. bereits bei Fish und Camel tätig). Als Gast ist ebenfalls der ehemalige Keyboarder John Tout bei einigen Titeln mit von der Partie. Die Besetzung stimmt schon mal, doch was bietet "Tuscanny" nun musikalisch? Der Opener "Lady from Tuscanny" verheißt leider nicht viel Gutes, knüpft er doch mehr an der poppigen Tradition der 80er an. Zwar schmissig und fröhlich gespielt, doch irgendwie nicht so ganz überzeugend. Doch bereits die beiden folgenden Titel zeigen was in der Band wirklich noch steckt. "Pearls of wisdom" - richtig schön sinfonisch und mit wunderschönen Melodien - geht von der Stimmung zurück in die 70er, während "Eva's pond" - nur mit Keyboards und Gesang - völlig auf die herausragende Stimme von Annie Haslam zugeschnitten ist. Das, was man in den ersten drei Titeln zu hören bekommt, ist auch die Bandbreite des weiteren Verlaufs des Albums. Auf der einen Seite, mehr eingängigere, zwar nicht belanglose, aber doch ein wenig flach wirkende Nummern, auf der anderen Seite eine richtige Rückkehr zur Vergangenheit und zwar nicht nur im Sound, sondern auch in der Qualität der Lieder. Da bei Renaissance neben den sinfonischen Klängen, auch immer Platz für leichtlebige folkloristische Ausflüge und fröhliche Melodien war, bauen auch heute noch die Arrangements nicht auf komplexe Wechsel, sondern Melodie, ruhige Stimmungen und Harmonie stehen eindeutig im Vordergrund. Gelang es der Band in der Vergangenheit mit solch Klassikern wie "Ocean gypsy", "Carpet of the sun" oder "Mother Russia" kleine Meisterwerke von fragiler Schönheit zu fabrizieren, so wirkt vieles heute zwar bemüht und schön gemacht, doch irgendwie keineswegs so überzeugend wie noch vor 25 Jahren. Renaissance erscheinen immer dann am besten, wenn die Lieder sehr sparsam nur auf die Stimme zugeschnitten sind oder die Band sich wie beim letzten Titel "One thousand roses" auf sinfonischen Bombast und Tempo einlässt. Insgesamt ist "Tuscanny" zwar der Versuch die Vergangenheit wieder lebendig werden zu lassen, doch leider gelingt der Zeitsprung nur zum Teil. Abgesehen davon sind die zehn Titel auf diesem Album schön anzuhören, gut gemacht, doch insgeheim hatte der Schreiber dieser Zeilen mit etwas Mitreißenderem gerechnet - dennoch schön, dass es Renaissance wieder gibt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2001