CD Kritik Progressive Newsletter Nr.35 (05/2001)

Pendragon - Not of this world
(76:25, Toff Records, 2001)

Fünf Jahre war es sehr ruhig um das britische Neo Prog Flagschiff, doch nach langen Vorankündigungen und einigen Verzögerungen, gibt es jetzt mit "Not of this world" endlich wieder ein neues Studioalbum. In den 90ern verkauften Pendragon von ihren drei Alben "The world", "The window of life" und "The masquerade overture" immerhin 150.000 Exemplare, und diese Erfolgsgeschichte wird sich auch sicherlich mit "Not of this world" nahtlos fortsetzen, denn alles was den Fans bisher an Pendragon gefiel, gibt es auch wieder zuhauf auf dem neuen Longplayer. Wie gewohnt baut Bandleader Nick Barrett auf die Kraft von schönen Melodien, wohl dosiertem Bombast und fließenden Gitarrenklängen, denen man ein gewisses Ohrwurmpotenzial, aber auch scheinbare Wiederholungen im Vergleich zu den Vorgängern nicht absprechen kann. Bereits beim ersten Hördurchgang kann man einige Zeilen mühelos mitsingen, scheint die Musik irgendwoher bereits bekannt zu sein. Die Keyboards werden im wahrsten Sinn des Wortes gewichtig von Clive Nolan hauptsächlich für die Flächendeckung eingesetzt, sprich meist legen weiche Klangteppiche das Grundgerüst für die fünf epischen Songs (in der Erstpressung noch um die zwei Akustikversionen "Paintbox" und "King of the castle" vom letzten Album ergänzt). Die Rhythmustruppe um Schlagzeuger Fudge Smith und Bassist Peter Gee agiert wie gewohnt: solide, unauffällig, aber effektiv den Songs angepasst. Richtige Überraschungen sucht man natürlich auch auf dieser Scheibe vergeblich, d.h. wem Pendragon bisher doch eine Spur zu eingängig und harmlos waren, wird in seiner Meinung bestätigt, die breite Masse aus dem Neo Prog Lager kann wiederum bedenkenlos zugreifen, denn Pendragon bieten auch auf der anderen Seite ansprechende Qualität fürs Geld. Doch trotz bekannter Zutaten fallen einige Dinge recht positiv auf: gekennzeichnet durch die privaten Probleme wirken bestimmte Idee verbitterter, trauriger, als in der Vergangenheit. Dies dürfte zwar den Seelenzustand des Herrn Barretts verschlechtert haben, die Musik bekommt aber dadurch mehr Tiefe und Wärme. Zudem wird besonders der dreiteilige Titelsong richtig gut unter Dampf gesetzt, endlich flitzen auch mal Keyboard Headbanger Nolan's Finger etwas flinker über die Tasten, duellieren sich temporeich mit der Gitarre. Genauso arbeitet sich der schwungvolle, melodische Neo Prog direkt in die Herzen der Fans; Pendragon können eben doch noch mehr als die ihnen oft angedichtete Harmlosigkeit bieten. Dennoch sollte auch ein typischer Vorwurf nicht unerwähnt bleiben. Barrett gelingt es nicht immer die Kurve zu kriegen, gegen Ende der CD gewinnt doch der etwas zu stark aufgetragene Schmalz mit garantierter Tränendrüsengarantie die Oberhand, die Melodien wirken nicht mehr ehrlich, sondern künstlich auf Weinerlichkeit und Friede-Freude-Eierkuchen getrimmt. Es ist eigentlich fast schon ein todsicherer Tipp, dass sich "Not of this world" garantiert wieder in den vorderen Rängen der Jahrescharts tummeln wird. Und schließlich ist es keineswegs verwerflich seinem Zielpublikum genau das zu bieten, nachdem es so lange gelechzt hat.

Kristian Selm



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