CD Kritik Progressive Newsletter Nr.34 (02/2001)

Indaco - Vento Del Deserto
(46:58, Il Manifesto, 1997)
Indaco - Amorgós
(68:59, Il Manifesto, 1999)
Indaco - Spezie/live
(62:26, Il Manifesto, 2000)

1992 gründete der Multiinstrumentalist Mario Pio Mancini und der Banco-Gitarrist Rodolfo Maltese die Formation Indaco (Betonung auf dem "i" - es bedeutet übrigens "indigo"), die sich der World- Musik ebenso verpflichtet fühlt, wie der (progressiven) Rockmusik. Mit dem Drummer Pier Luigi Calderoni haben sie ein zweites (Ex-) Banco-Mitglied in ihren Reihen; außerdem gehört zur Band der Percussionist Arnaldo Vacca, der exquisite Bassist Luca Barberini und der Keyboarder Carlo Mezzanotte. Zahlreiche namenhafte Gastauftritte italienischer Künstler komplettieren das Line-Up. Auf dem 97er Release "Vento Del Deserto" (= Wüstenwind) sind es u.a. der Ex- PFM- Violinist Mauro Pagani, der sardische Akkordeon-Meister Antonio Salis, die neapoletanischen Funk- Jazzer Tony Esposito und Rino Zuzolo und als i-Tüpfelchen übernimmt Banco- Sänger Francesco Di Giacomo die Vocals bei einem Stück. Musikalisch präsentiert sich "Vento Del Deserto" als recht abwechslungsreiche Worldmusic-Scheibe, die Einflüsse reichen von der orientalischen über die indische bis hin zu den verschiedensten mediterranen Musiken. Mit viel Spielfreude werden die Songs eingespielt, sie bleiben freilich zumeist fast völlig frei von irgendwelchen Prog-Einflüssen. Erst beim letzten Stück "Tharros", als Francesco Di Giacomos unverwechselbare Stimme einsetzt, hört man der Band deutlich die musikalische Vergangenheit ihrer Mitglieder an. Die auf "Vento Del Deserto" präsente Verquickung von Prog und Worldmusic ist in Italien beileibe nichts ungewöhnliches. Schon in den Anfängen der italienischen Szene, waren die musikalischen Bande zur nationalen Szene enger als die zur angelsächsisch geprägten Artrock-Szene. Bands wie PFM oder die New Trolls arbeiteten immer wieder mit italienischen Cantautori zusammen, die ihrerseits stets auf den Fundus der verschiedenen italienischen Folk-Musiken zurückgriffen. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass dies einer der Hauptgründe der Eigenständigkeit der italienischen Szene war (und ist). Es ist also nicht verwunderlich, wenn nun eine weitere Generation von Bands sich der (mittlerweile zur mediterranen Worldmusic mutierten) italienischen Folk- Musik bedient. Auf dem 99er Album "Amorgós" ist diese Verbindung sogar noch weiter ausgeprägt - und genau dadurch wird (scheinbar widersprüchlicherweise) "proggiger" als der Vorgänger. Fast auf dem Vorgänger nur angedeutet wurde, erfährt in "Amorgós" unendlich mehr Tiefe. Die Kompositionen wirken ausgereifter, das oberflächliche World wurde durch ein authentischeres, weniger plakatives Roots ersetzt. Die Einflüsse beschränken sich auf den Mittelmeerraum und werden dadurch glaubwürdiger - und laufen eben nicht in Gefahr, wie jede x-beliebige Sitar-A-Go-Go Nummer zu enden. Um es gleich klarzustellen: "Vento Del Deserto" ist kein schlechtes Album, aber mit Ausnahme des Vocalstücks "Tharros" gelingt es dem Album nicht, so etwas wie einen eigenen Charakter, einen eigenen Sound zu produzieren; "Amorgós" hingegen hat ein klareres Konzept, stärkere Kompositionen und den Vorteil einer nun gut eingespielten Band. Fantastisch schon der Opener "Amorgós", mit niemand geringerem an der Trompete als Lester Bowie. Weitere Höhepunkte sind "Improvviso" (mit Vittorio Nocenzi als Gast am Klavier), die obligatorische Di Giacomo-Nummer "Nel Tempo" und v.a. die wundervolle Ballade "Soleanima", die auf Sardisch (das ist kein Dialekt, sondern eine eigenständige, uralte Sprache) von Andrea Parodi gesungen wird, Ex- Sänger der sardischen Formation Tazenda und ohne jeden Zweifel der beste Sänger Sardiniens und einer der besten Italiens. Dazwischen gibt es exzellente Musik, polyrhythmisch, abwechslungsreich und originell arrangiert. "Amorgós" ist ein wirklich gelungenes Album. Auch das neueste Output der Italiener "Spezie / live" weiß zu überzeugen. Nur etwas mehr als die Hälfte der Songs sind tatsächlich live eingespielt, der Rest kommt aus dem Studio. Musikalisch liegt der Schwerpunkt (bei den Studiotracks) auf Neapel mit seiner faszinierenden, ureigenen Musik, die stets sehr gefühlvoll ist und vielfältige Einflüsse (Spanien, Nordafrika) offenbart. Der Sänger Enzo Gragnaniello steuert den schon traditionellen Vocal-Song bei, dieses Mal im hochmelodischem (aber absolut unverständlichem) Dialekt Neapels; er war auch schon auf den beiden Vorgängern als Stimmkünstler zu hören. Die Live-Tracks des Albums beweisen (als wenn das wirklich nötig wäre) die große Spielkunst der Band. Besonders gelungen sind die Live-Versionen der Tracks, die ursprünglich vom Album "Vento Del Deserto" stammen - erst hier merkt man, welches Potential schon im 97er Album steckte. Zum Abschluss gibt es einen gelungenen Remix von "Amorgós". Schade, dass es sehr unwahrscheinlich ist, das Indaco jemals in Deutschland zu sehen sein werden.

Sal Pichireddu



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