CD Kritik Progressive Newsletter Nr.34 (02/2001)
Electric Light Orchestra - The night the light went on
(40:25, Epic, 1974)
Wieder einmal wird ein weiteres Geheimnis aus meiner Vergangenheit gelüftet. Aber nein, jetzt kommen keine Geständnisse über irgendwelche Alkohol- oder Drogenexzesse, Orgien oder sonstige schlüpfig-schmierige Themen der Boulevardpresse, es geht ganz profan um meine erste Schallplatte. Enttäuschung macht sich breit - ja, was denkt ihr denn, über was ich mich denn wohl in diesem Heft ansonsten auslasse? Mein plattentechnische Vergangenheit fing 1979 mit "Discovery" vom Electric Light Orchestra an. Mehr Pop als Prog, doch da alte Liebe bekanntlich nun mal nicht rostet, gebe ich auch heute noch unverhohlen zu, dass mir immer noch einiges von den Mannen um Mastermind Jeff Lynne gefällt, inzwischen vor allem die Alben aus den frühen und Midsiebzigern, wie solche Klassiker vom Schlage von "Out of the blue" (1977) oder "Eldorado" (1974). Und genau aus dem Jahr des letzten Albums stammt auch der einzige auf Vinyl erhältliche Livemitschnitt der "Engländer mit den großen Fiddeln", der inzwischen auch als CD Version vorliegt. Aufgenommen in Long Beach, Kalifornien ist "The night the light went on" ein sehr gutes Zeugnis über die Power, Spielfreude und Improvisationsvielfalt der Liveauftritte des Electric Light Orchestras. Zwar musste aufgrund chaotischer Begleitumstände das Konzert ohne vorherigen Soundcheck direkt mitgeschnitten werden, doch die Engländer beweisen wirklich Klasse und lassen nicht nur die Cellos und Geigen richtig krachen. Der Klassiker "Showdown" wird einfach um einen expressiven Schlussteil ergänzt, das von den Beatles gecoverte "Day tripper" bekommt ein paar Klassikschnipsel verpasst, ein paar Soli eingefügt, etwas "Satisfaction" und "Bonanza Theme"(!) hingeflochten und schon ist es mit über 6½ Minuten mehr als doppelt so lang wie das Original. Wenig geglückt ist dafür der Versuch Eduard Griegs "In the hall of the mountain king" sehr rüde in das von Jerry Lee Lewis stammende "Great balls of fire" nahtlos übergehen zu lassen. Doch ansonsten gelingt die Mischung aus eigenem Material und Coverversionen, klassische Streichinstrumente gleichberechtigt neben Keyboards und Gitarre agieren zu lassen. Trotz recht kurzer Spielzeit ist diese CD ein wunderbares Zeitzeugnis und macht deutlich, dass ELO nicht nur ein reines Studioprojekt war, sondern auch live überzeugen konnten. Gerüchten zufolge soll Jeff Lynne inzwischen wieder dabei sein, eine Neuauflage der Band auf die Beine zu stellen, ob dabei aber nochmals der Glanz der ganz alten Tage erreicht wird, darf aufgrund seiner Projekte der letzten Jahre jedoch angezweifelt werden.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2001