CD Kritik Progressive Newsletter Nr.33 (12/2000)

János Varga Project - The wings of revelation I
(47:57, Periferic Records, 2000)

In den 70ern und 80ern hielten East in Ungarn die Flagge der sinfonischen Rockmusik hoch. Nach deren Auflösung ging immer noch ein Gerücht durch die Reihen, dass es anscheinend noch ein Projekt aus der Frühphase geben würde, was aber bisher nicht veröffentlicht worden war. Jetzt endlich fand der ehemalige East Gitarrist János Varga (sieht auf dem Cover wie ein verloren geglaubtes Mitglied von ZZ Top aus) die Zeit, die Musik aus der Vergangenheit mit modernster Technik aufzunehmen. Unterstützt wurde er dabei von zwei ausgezeichneten Kollegen, nämlich seinem ehemaligen East Mitstreiter, dem Schlagzeuger István Kiraly, sowie dem After Crying Keyboarder Zoltán Lengyel. Somit unternimmt nicht nur die Musik eine Zeitreise, sondern auch Musiker von Bands aus Vergangenheit und Gegenwart werden vereint. Doch was gibt es nun auf "The wings of revelation I" zu hören? Ganz einfach: rein instrumentale, sinfonische Rockmusik vom Allerfeinsten. Keine ausgeklügelten Soloschlachten, keine Komplexität, dass einem die Ohren klingeln, weniger ist mehr lautet die Devise. Auf einfacherem, aber keinesfalls belanglosem Rockgrundgerüst schraubt sich die Gitarre mal gefühlvoll heulend, dann wieder kernig rockend in die Höhe und bekommt nicht nur einmal als gleichwertigen Partner das Keyboard zur Seite gestellt. In sich steigendem Bombast treiben sich die beiden Führungsinstrumente immer mehr nach vorn und bieten gut durchdachte, sich stimmig in den Songverlauf anpassende, auf den Punkt gebrachte Soloausflüge. Als Ausgleich ist in den Zwischenparts genug Freiraum für lässiges Bass-Spiel oder perlende Synthieakkorde. Varga erinnert zwar in seiner Spielweise an David Gilmour und auch in den Kompositionen schimmert immer mal Pink Floyd Verwandtschaft durch, aber dennoch hat er und dieses Album seinen ganz eigenen Stil und Charme. Auf dieser Scheibe wirkt nichts zu überladen, locker und lässig groovt, rockt und proggt es vor sich hin, ohne dass Langeweile aufkommt. "The wings of revelation I." ist weder unheimlich spektakulär, noch ein Album mit dem Zeigefinger "Kuck mal wie toll wir sind" - aber wahrscheinlich ist es genau das, was die drei Ungarn so unheimlich sympathisch macht. Und wenn schon im Albumtitel am Ende eine römische eins stehen, dann gibt's auch vielleicht noch eine Fortsetzung.

Kristian Selm



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