CD Kritik Progressive Newsletter Nr.33 (12/2000)

Vulgar Unicorn - Jet set radio
(61:33, Cyclops, 2000)

Auch sie haben lange auf sich Warten lassen. Mehrmals schon war das dritte Album von Vulgar Unicorn angekündigt worden. Doch immer wieder gab es Verzögerungen, zwischendurch erschien mit der Band Pineapple Thief immerhin ein etwas anders gelagerte Sideprojekt, welches sogar schon zwischenzeitlich als Nachfolgeband gehandelt wurde. Doch die Spekulationen haben ein Ende, endlich ist "Jet set radio" erhältlich, von einer Band, die bereits auf ihren Vorgänger mit einigen ungewöhnlichen Ideen und Einfällen aufwartete und den Begriff "progressiv" teilweise wörtlich nahm und Elemente aus dem Progressive Rock mit modernen Einfällen für sich selbst verwerte. Nicht selten fiel auch der Name Porcupine Tree als Vergleich, einige Vorschußlorbeeren, an denen Vulgar Unicorn sie nun messen lassen müssen. Um es gleich vorwegzunehmen: das Warten auf "Jet set radio" hat sich größtenteils gelohnt, auch wenn es sich nicht um ein epochales Meisterwerk handelt. Aber dennoch ist dem Duo Bruce Soord und Neil Randall wiederum ein äußerst interessantes Album gelungen, welches sich zwar gnadenlos überall bedient, aber dabei nie seine eigene Identität aufgibt. Vom Klangbild her sind Vulgar Unicorn wesentlich offener, aber auch eine Spur elektronischer geworden. Neben Wave Elementen aus den 80ern, moderneren Trip Hop Beats, gibt es aber auch jede Menge sphärische Parts mit treibenden Rhythmen und euphorischen Gitarrenlinien. Die Reise durch mehr als 30 Jahre Rock und Popmusik wirkt immer noch leichtfüßig und elegant zusammengezimmert, selbst bei so gegenläufigen Elementen wie gitarrenlastiger Alternative Rock mit modernen Sounds oder auch schön antiquiertem Progressive Rock mit griffigen Synthiesoli oder verträumten Gitarrenlinien. Was "Jet set radio" jedoch etwas fehlt, ist Wärme und Leidenschaft. Die Beats tickern zwar gefällig vor sich hin, aber sie wirken zu steril und leblos. Auch werde ich irgendwie das Gefühl nicht los, dass man in die Songs noch mehr Spannung und spannungsschaffende Momente hätte hereinpacken können. So sind die zehn Kompositionen zwar liebevoll einstudiert und mit jeder Menge Details versehen, der vielgepriesene letzte Funke fehlt aber dennoch. Vulgar Unicorn haben sich zweifelsohne weiterentwickelt und gehören zu den Vorreitern im progressiven Bereich, die wirklich als Wegbereiter für neue Einflüsse angesehen werden. "Jet set radio" ist somit eine modernes Album, dass viel bietet, insgesamt durchaus überzeugend kann, dem britischen Duo aber auch Raum für mehr gibt.

Kristian Selm



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