CD Kritik Progressive Newsletter Nr.33 (12/2000)

Triana - El patio
(39:11, Fonomusic, 1975)

1974 gründete der südspanische Songschreiber, Pianist und Sänger Jesus de la Rosa zusammen mit dem Flamenco-Gitarristen Eduardo Rodriguez und dem Drummer Juan José Palacios ein Trio, das bald darauf - zumindest in Spanien - Rockgeschichte schreiben sollte. Das Trio nannte sich schlicht Triana und veröffentlichte schon ein Jahr später das erste Album "El patio", das mit einer innovativen und gelungenen Mischung aus andalusischer Folklore und symphonischen Progrock-Elementen überraschte und gute Kritiken einheimste, auf dem Markt jedoch noch keine hohen Wellen warf. Erst vier Jahre später kam mit dem 79er Album "Sombra y Luz" der große Durchbruch: die Scheibe verkaufte sich innerhalb eines Monats nicht weniger als 300'000 (!) mal - zu einer Zeit notabene, als die Liebhaber guter Rockmusik auch in Spanien von den Plattenmultis zunehmend mit Punk, Disco und seichtem Pop terrorisiert wurden. Fortan gehörten Triana zu den bekanntesten und erfolgreichsten Rockgruppen Spaniens, bis das Trio durch den plötzlichen Unfalltod von Mastermind Jesus de la Rosa im Jahre 1983 ein jähes, tragisches Ende nahm. Das Oeuvre dieser Flamenco-Progrock-Legende umfasst 6 Alben, wobei die früheren Werke den Proghead mehr interessieren dürften, da hier - insbesondere auf den ersten beiden Alben - die progressiven und symphonischen Elemente in der Musik besser zum Tragen kommen. Das Debutalbum "El patio" enthält bereits alles, was die Musik von Triana auszeichnet. Schon der erste Song "Abre la puerta" - mit knapp 10 Minuten der längste des Albums - beginnt in typischer Triana-Manier: erst geben akustische Flamenco-Gitarre und Klavier den Ton an und werden nach und nach durch sparsam eingesetzte Mellotron-, Synthie- und Keyboard-Sounds ergänzt. So wird langsam die passende Stimmung aufgebaut für de la Rosa, der dann nach ca. 2 Minuten das Thema des Songs mit klarer, voller Stimme und einer Mischung aus Leidenschaft und Melancholie singt. Die letzten 5 Minuten des Songs sind wieder rein instrumental: nach einigen E-Piano- und Synthie-Farbtupfern ist von weit her eine zaghafte, schwebende E-Gitarre hörbar, wird abrupt verdrängt von geklatschten Flamenco-Rhythmen, die sich bald mit Drum-Rockrhythmen vermischen, bis sich die E-Gitarre wieder langsam aus der Tiefe des Raumes in den Vordergrund spielt und schließlich in ein fulminantes Solo mündet. Ein starkes Stück - was man von allen 7 Songs des Albums sagen kann. Im Kern sind es durchwegs balladenhafte, melodiöse, unkomplizierte Rocksongs mit vielen Moll-Akkorden und traurig-schöner Grundstimmung voller Wehmut und Sehnsucht. Richtig losgerockt wird kaum je. Die Songs werden in ein musikalisches Gewand von ausgeprägt symphonischem Charakter ohne Ecken und Kanten eingekleidet, wobei auch mit Soundeffekten gearbeitet wird: man hört Wasser plätschern, ein Hahn kräht, Grillen zirpen, Vögel zwitschern, ein Gongschlag ertönt und dergleichen mehr... Nicht nur in dieser Hinsicht erinnern Triana stellenweise stark an Pink Floyd, und doch hat die Musik von Triana eine ganz eigene, unverwechselbare Identität. Da ist erst einmal de la Rosas Gesang, seine Melodieführung und Phrasierung, die stark von der klassischen andalusischen Gesangstechnik geprägt ist, mit manchmal langgezogenen Vokalen, mit stellenweise recht viel Pathos und südländischer Dramatik und diesem faszinierenden Mix aus Leidenschaft und Melancholie, der unter die Haut geht. Und dann diese wunderschöne Flamenco-Gitarre von Eduardo Rodriguez, die immer wieder den Ton angibt und um die Songmotive herumspielt, diese andeutet und variiert und so einen reizvollen Kontrast bildet zur Tastenarbeit von de la Rosa, die mit Synthie, Mellotron und diversen Keyboards recht üppig ausfällt und doch nie überladen wirkt, da alles der Songidee untergeordnet wird. Auch in dieser Hinsicht hinkt der Vergleich mit Pink Floyd keineswegs, denn die Songs atmen, die Musiker nehmen sich Zeit und Raum, um aus einigen wenigen musikalischen Ideen einen Song gedeihen zu lassen und mit instrumentalen Einlagen behutsam auszubauen, nuancenreich und mit viel Liebe zum Detail, ohne die musikalische Grundidee je aus den Augen zu verlieren. Auch Juan José Palacios' Arbeit an den Fellen ist hier lobend hervorzuheben: er spielt angenehm unaufdringlich, songdienlich und subtil - eine wahre Wohltat angesichts der Kraftmeierei in vielen heutigen Produktionen. Wer auch mal auf Virtuosität und Komplexität verzichten kann und schlichte, emotionale Musik mit Tiefgang schätzt, dem ist "El patio", ein Klassiker des spanischen "Rock Sinfonico", zu empfehlen. Dank dem Madrider Label Fonomusic, das inzwischen alle Alben von Triana auf CD herausgebracht hat, können nun diese kleinen musikalischen Perlen dem Schicksal, völlig in Vergessenheit zu geraten, entrissen werden.

Georg Oelschläger



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