CD Kritik Progressive Newsletter Nr.33 (12/2000)
Salem Hill - Not everybody's gold
(70:09, Lazarus Records/Cyclops, 2000)
Auf diese Veröffentlichung war ich sehr gespannt. Würde es dem US-Quintett (wiederum unterstützt von Kansas-Geiger David Ragsdale) gelingen, einen würdigen Nachfolger für das ausgezeichnete "The robbery of murder" hinzulegen? Mit dem 98er-Vorgänger hat die Band die Messlatte jedenfalls ziemlich hoch angesetzt. Beim ersten Anhören war ich zuerst einmal überrascht - und auch ein klein wenig verwirrt. Denn diese Scheibe klingt über weite Strecken ziemlich anders als "The robbery of murder", komplexer und anspruchsvoller. Doch nach dem dritten Durchlauf schlug die anfängliche Verwirrung in pure Freude um. "Not everybody's gold" ist abwechslungsreicher, kreativer - und progressiver! Der Opener "Prelude" überrascht mit einer mehrstimmigen A-Capella-Einlage über vielschichtigen Rhythmen und mündet in einen rein instrumentalen Part mit teilweise bombastischem Sound und musikalischen Ideen, die an die frühen Yes erinnern. Das ganze Stück - und nicht nur dieses - verbreitet ein angenehmes 70er-Jahre-Prog-Feeling. Das temporeiche "Riding the fence", das härteste Stück des Albums, ist wieder einfacher gebaut und enthält ein interessantes Piano-Solo in der Mitte, der Gesang erinnert etwas an Kansas (dieses Stück hört sich für mich am "amerikanischsten" an). Und schon folgt das erste Highlight der CD: "The last enemy", eine wunderschöne Ballade mit starker Melodie, gutem Gesang und einer Gitarre, die wieder mehr im Neo-Prog-Stil wurzelt. Diese exzellente kleine Proghymne hätte vom Stil her auch sehr gut auf den Vorgänger "The robbery of murder" gepasst. "January" ist relativ gradlinig mit einem etwas härteren Gitarrensound, und auch der 5. Song "Let loose the arrow" schaukelt stellenweise noch in neo-progressiven Gewässern mit IQ-typischen Rhythmuswechseln, atmet aber gleichzeitig 70er-Jahre-Luft mit starken Yes-artigen Momenten und Kirchenorgel-Parts mit deutlichen Referenzen zu "Close to the edge". Nach der Rock-Ballade "We don't know", hervorragend gesungen und mit reichlich Bombast unterlegt, folgt als krönender Abschluss das 30-minütige "Sweet hope Suite", das absolute Highlight des Albums und für mich einer der besten progressiven Longtracks der letzten Jahre. Dieses ungemein reichhaltige und vielschichtige Opus verarbeitet Einflüsse, die von Yes über Camel und Kansas bis zu Spock's Beard reichen, und endet wieder in bester "Robbery of murder"-Manier. Es entfaltet seine volle Wirkung allerdings erst nach häufigerem Genuss. Mit "Not everybody's gold" ist Salem Hill eine packende Mischung aus modernerem Neo-Prog und dem guten alten sinfonischen Progrock der 70er Jahre gelungen. Wenn die so weitermachen, schaffen die noch den Sprung in die Champions League des zeitgenössischen Progrock. Den Status des Geheimtipps dürften Salem Hill mit diesem Album jedenfalls hinter sich lassen.
Georg Oelschläger
© Progressive Newsletter 2000