CD Kritik Progressive Newsletter Nr.32 (10/2000)
Brainstorm - Tales of the future
(60:26, Privatpressung, 2000)
"I feel like 1970", dieses Zitat aus dem Brainstorm-Song "Walks in anonymity" fasst eigentlich schon zusammen, was das Wesen dieser Scheibe ausmacht. Wer hier technischen Schnick-Schnack, emphatisches Neo Prog- Gehabe oder sonstige zweifelhafte Errungenschaften der progressiven Rockmusik erwartet, der ist hier völlig falsch. Die Australier von Brainstorm (Australien, I mean wirklich Australien!) haben sich einem Sound verschrieben, der - gelinde gesagt - etwas aus der Mode gekommen ist, auch wenn wir in den Kategorien der progressiven Rockmusik denken. Neu ist diese Musik wirklich nicht. Das diese Musik dennoch sehr unterhaltsam sein kann, das erfährt der Hörer allerdings erst, wenn er sich durch den zähen bis indiskutablen Anfang der Scheibe gequält hat - das Album wird nämlich erst dann interessant, wenn der eine oder andere Zuhörer schon genervt abgeschaltet hat. Gut, vergessen wir das missglückte "Cyborg", das unauffällige "Evolution" und vor allem das grottenschlechte, furchtbare, ganz grauselige "Not saying anything" (Nomen est omen!), fangen wir beim Track 4 an - dem exquisiten Longtrack "Brideshead", sehr dunkel, sehr psychedelisch - erst hier offenbart Brainstorm seine wahre Stärke, nämlich eine wahrlich düstere Stimmung zu erzeugen. Die instrumentale Coda von "Brideshead" ist sicherlich der Höhepunkt des Albums überhaupt und macht vieles von dem zuvor gehörtem wett. Prog sei Dank leisten sich die Brainstormer keinen weiteren allzu peinlichen Ausrutscher, der Zuhörer kann sich also entspannt zurücklehnen und die Fernedienung getrost weglegen: Hier geht es psychedelisch weiter. Ausgeflippte Texte (die sind wohl in dieser Spielart Pflicht) machen vielleicht nicht immer Sinn, aber das macht hier nicht wirklich etwas aus; auch nicht, dass das Album ziemlich underproduced ist und das von den Instrumentalisten nur der dominierende, allgegenwärtige Bassist Jeff Powerlett (Again: Nomen est omen!) und der manchmal recht konventionell, meistens jedoch recht einfallsreich aufspielende Drummer Vittorio Di Iorio zu überzeugen wissen. Schwer zu bestimmen, ob diese Band noch Potential hat oder ob sie schon am Ende ihres Lateins ist. Anyway, alles in allem gilt: Musikalische Science Fiction aus der Zeitmaschine, die Zukunft mit den Augen der Vergangenheit, Brainstorm - ein ziemlich freakiger T(r)ip.
Sal Pichireddu
© Progressive Newsletter 2000