CD Kritik Progressive Newsletter Nr.32 (10/2000)
The Underground Railroad - Through and through
(54:43, The Laser's Edge, 2000)
Gute Alben lassen schon beim ersten Anhören ihre Qualität erkennen. Doch manchmal braucht es etwas länger, man muss sich quasi zwingen eine Scheibe mehrmals anzuhören, da man zwar merkt, dass es sich um etwas Außergewöhnliches handelt, aber der berühmte Funken will nicht so recht überspringen. "Through and through", das Debüt der amerikanischen The Underground Railroad, ist so ein Fall. Es dauert, bis man mit der Musik warm wird, aber irgendwann macht es dann "Klick" und dann gibt einem die Musik dass zurück, was man an Zeit in sie investiert hat. Bei der vierköpfigen Band, die um das Duo Kurt Rongey (Keyboards, Gesang) und Bill Pohl (Gitarre, Gitarrensynthesizer, Gesang) formiert wurde, liegt das Hauptproblem eindeutig darin, dass der Opener "May-Fly" eigentlich das schlechteste Stück des Albums ist und somit schon mal der Einstieg schwer fällt. Doch mit zunehmender Spielzeit werden die Songs immer ausufernder, verschachtelter und dramatischer. Besonders die unheimlichen Spannungssteigerungen, die die Musik langsam anschwellen lassen, um in furiosen, teils sehr abgedrehten Soli zu gipfeln, ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Und was gibt es stilistisch zu hören? The Underground Railroad haben ihre Wurzeln eindeutig in den 70ern, sie mischen geschickt allerfeinsten Progressive Rock mit leichtem Jazz Rock Touch. Da heult und jault die Gitarre mal im Stil von Großmeister Allan Holdsworth, da laufen Keyboards und Saiten komplex gegeneinander, um aber immer wieder harmonisch ineinander zu verschmelzen, es gibt spieltechnische Erinnerungen an die amerikanischen Bands der 70er, wie z.B. Happy The Man, Babylon oder auch Fireballet oder weitflächige Keyboardakkorde türmen sich richtig furios auf. Das Hauptaugenmerk der Amerikaner liegt eindeutig im instrumentalen Bereich, sie schaffen es Atmosphäre und fesselnde solistische Extravaganzen, hymnisch und zugleich melodisch zu vereinen, wenn auch dem Zuhörer einiges abverlangt wird. The Underground Railroad sind auf dem besten Weg sich mit diesem Erstlingswerk und dem erkennbaren Potential in die vorderen Regionen vorzuspielen, wobei sie sicherlich mehr die Fans ansprechen, die einiges an Komplexität, aber auch zerbrechlicher, schleppender Melancholie vertragen können.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2000