CD Kritik Progressive Newsletter Nr.32 (10/2000)

5uu's - Regarding purgatories
(55:43, Cuneiform, 2000)

Jedes mal, wenn man meint schon alles gehört zu haben und das Ende der Leiter der musikalischen Belastbarkeit erklommen zu haben scheint, kommt ein nettes, unscheinbares Päckchen aus den U.S.A. mit den neuesten Veröffentlichungen von Cuneiform. Und sehr schnell muss man dann erkennen, dass das scheinbare Leiterende wieder in weite Ferne gerückt ist. Was Dave Kerman und seine reformierten 5uu's auf "Regarding purgatories" bieten, ist R.I.O. (Rock in Opposition) in Reinkultur. Ständig werden die Grenzen frisch gezogen, neue Territorien erschlossen, andere Formen gesucht, um sich musikalisch auszudrücken. Was dabei herauskommt, fordert nicht nur die Musiker, sondern auch den Zuhörer auf ganz erhebliche Weise. Doch im Gegensatz zum Avantgarde, was für meine Ohren immer wieder wie wahllos aneinandergereihter Krach klingt, hat diese Musik inhaltliche Strukturen, Spannungsmuster und so etwa ähnliches wie eine Melodieführung, will sagen, man kann hier eindeutig noch von Musik sprechen. Hatte das letzte 5uu's Album "Crisis in clay" noch kleinere Anlehnungen an Yes, so geht es dieses mal wesentlich sprunghafter zwischen den verschiedenen Stilen hin und her. Noch hört man ein knarzendes Soundexperiment, schon überfällt einen die Band mit moderner Klassik, komplexem Jazz Rock, aberwitzigen Gesangseinlagen und im wahrsten Sinn des Wortes "progressiven" Rock. Doch auf Dauer wirkt diese Art von Musik auch ermüdend, da man ihr einfach zu viel Aufmerksamkeit entgegenbringen muss, diese Zuneigung aber nur spärlich erwidert wird. Für den einen enthält diese Scheibe sicherlich nur Soundexperimente einiger wahnwitziger Amerikaner, bei sehr, sehr offenen Ohren bekommt man hier eine spannende Umsetzung, was heute unter sogenannter "neuen" Musik gehandelt wird. Die Grenzen des Erträglichen muss jeder selbst ziehen.

Kristian Selm



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