CD Kritik Progressive Newsletter Nr.32 (10/2000)

Eulenspygel - Ausschuß
(70:54, Garden Of Delights, 1972)

Nachdem das zweite Album von Eulenspygel bisher nur als illegaler CD Bootleg erhältlich war, haben Garden Of Delights jetzt dieses Album erstmalig offiziell in digitaler Form veröffentlicht. Zusätzlich wurden auf die CD noch 7 Bonustitel raufgepackt, welche bisher in dieser Form teilweise noch gar nicht erhältlich waren, wie z.B. drei Titel, speziell für eine Sendung der ARD ("Ring frei"). Ein sehr umfangreiches Booklet, der sehr lebhaften Bandgeschichte, rundet dieses Re-Release perfekt ab. Kernstück des Albums ist der über 22-minütige Titelsong, der als eine Art gesellschaftskritische Mini-Oper Sinfonik- / Klassikrock vom Allerfeinsten bietet. Mellotron und Orgel sorgen für eindringliche Stimmung, dazwischen tobt sich die Band eindringlich und virtuos aus oder platziert ihre sehr links-gerichteten Textaussagen. Gerade der sehr krasse Gegensatz zwischen den sehr kritischen, politischen Texten und der Musik ist natürlich gewöhnungsbedürftig und dürfte nicht jedermanns Geschmack sein. Aufnahmetechnisch ist "Ausschuß" allerbeste Qualität, da es in den damals wohl führenden Apple Studios in London aufgenommen wurde. Die Band konnte es natürlich auch nicht lassen, sich auf genau dem gleichen Zebrastreifen wie die Beatles einige Jahre zuvor ablichten zu lassen. Die weiteren, eher kürzeren Stücke, haben ebenfalls sehr radikale Textaussage (Liedtitel wie "Mich kotzt hier alles an", "Untertanenfabrik" sprechen eine deutliche Sprache), musikalisch können sie aber nicht ganz die eigene Vorgabe des Titelsongs halten. Mal geht es mehr Richtung Folk, dann kommt Blues Rock oder auch Krautrock zum Tragen. Auch ist in manchen Passagen recht augenscheinlich, dass die eigenen Vorbilder zu jener Zeit Bands wie Procol Harum, Yes, Genesis oder Van der Graaf Generator waren, vor allem die intensiven Instrumentalpassagen brauchen sich nicht vor den britischen Kollegen zu verstecken. "Ausschuß" ist nicht nur ein Zeitdokument einer Zeit der innerpolitischen Zerrissenheit und des Protests, es dokumentiert auch, dass auch in Deutschland die Hochzeit des Progressive Rock ihre deutlichen Spuren hinterlassen hat.

Kristian Selm



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