CD Kritik Progressive Newsletter Nr.31 (07/2000)

Samla Mammas Manna - Kaka
(50:43, Amigo Musik AB, 1999)

Wenn der Rockmusik ein bestimmter Geist innewohnt, der die intellektuelle und künstlerische Ambition der Musiker zu eigenem Ausdruck geraten lässt, dann lässt sich dieser Geist am ehesten in der R.I.O.-Szene finden. Diese Szene ist nicht nur mit starkem Charakter ausgezeichnet. Sie stellt sich gegen den Mainstream, gegen Musik ohne Gesicht und Ambition. Wer je die Italiener Picchio Dal Pozzo hörte, wird sich hinterher fragen, warum er DAS bisher nicht vermisst hat. Auch die Prog-Szene, die sich so gern als Fahnenträger des guten Geschmacks feiert, läuft zuerst dem ihrer Szene eigenen Mainstream hinterher. So werden Acts wie Ayreon gefeierte Stars, obwohl sie eigentlich nur nette, hübsche Popmusik machen, die deutlich überzuckert - und gut verpackt ist. Es ist nicht leicht, sich zu entscheiden. Das wird wohl auch Roine Stolt finden, der dieses ausgezeichnete, wilde, freche und teils überaus simple Album produziert hat. Ich möchte die Freudentränen zählen, die in der Band geflossen sind, als sie sich entschlossen, "Kaka" zu einem 14-Track-Album zu machen. Einige Tracks sind keine eigentliche Musik, sie sind vielmehr das Gequassel der Band, durcheinander gesprochen und mit erklärendem Erzähler im Off. Andere Stücke wiederum haben viel folkloristisches Gespür und jagen haarscharf an der kitschigsten, blödesten Melodie vorbei. Dann gibt es die "Rock"-Songs, irgendwo zwischen dissonantem Liedgut und zappaesken Abstraktismen. Dabei ist alles ineinander verquickt, verzahnt, erzählt "Kaka" mit unerhört viel Ironie und böse gutartigem Humor von so einem Ding von Rockmusik. Hier lässt sich was erleben. Ein Geist steht zwischen den Noten, der alle musikalischen Möglichkeiten zu einem hintersinnig und oftmals schier debilen Ausdruck reizt. Wer das nicht verstehen will, wird an der Band scheitern. Wer offen dafür ist, wird erleben, dass es da im Sinn für Melodien noch viel mehr gibt. Das die Möglichkeiten, in der Rockmusik zu musizieren, längst nicht ausgeschöpft und vorbei sind. Und wer vermeint, die hier machten ja nur Polka, der muss sich eben hochwertiges Liedgut bei Ayreon besorgen. Guten Appetit!

Volkmar Mantei



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