CD Kritik Progressive Newsletter Nr.31 (07/2000)
In Spe - In Spe
(41:00, Eesti Radio, 1983)
Der Fundus an bisher noch nicht auf CD erhältlichen Veröffentlichungen scheint fast unermesslich. Trotz mehr Masse aus Klasse, finden sich im aber immer wieder kleine Meisterwerke, die es lohnt einmal näher zu betrachten. In Spe stammen aus Estland und ihre in den Jahren 1979 bis 1981 komponierten Stücke ihres Debüts brauchen sich keinesfalls vor der westlichen Konkurrenz zu verstecken, wie es sowieso jenseits des ehemaligen eisernen Vorhangs noch einiges zu entdecken gibt. Zwar sind alle die Titel in der sehr dem finnischen ähnlichen Landessprache gehalten, da aber nur auf einem Song tatsächlich gesungen wird, geht es hier fast ausschließlich um die instrumentale Brillanz der achtköpfigen Band, die sich in der Besetzung 4(!) Keyboarder, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Flöte zusammengefunden hat. Trotz des augenscheinlichen Keyboardüberhangs, ist die Musik von In Spe keineswegs zu überladen, denn sowohl Gitarre und Flöte bekommen ihren Freiraum, wodurch aus dem regen Miteinander ein sehr gutes Sinfonikalbum entsteht, welches sowohl klassische Elemente, wie auch traditionellen 70er Jahre Progressive Rock einfließen lässt. Wie bei fast allen Bands aus dem ehemaligen Ostblock kommt der Musik die klassische Ausbildung der einzelnen Musiker zugute, die den sechs Titeln ein ausgewogenes Arrangements, wie auch inhaltliche Schwere verleihen. Der Opener "Ostium" beginnt mit leichtfüßigen Keyboardlinien, bevor eine Holdsworth-mässige Gitarre, nicht zu überladen, aber dennoch virtuos davon schwebt. Beim den beiden folgenden Titeln "Illuminatio" und "Mare vitreum" ist es vor allem die Flöte, die ruhig und klassisch inspiriert ihre Bahnen zieht. Beim einzigen Gesangtitel "Päikesevene" gibt es dann auch eine Spur mehr Dramatik und Pathos, die aber nie peinlich wirken. Die Musik von In Spe lebt nicht von Tempo und abartigen Tonfolgen, sondern leicht melancholische Stimmung und eindringliche Melodien, die ihr inneren Spannung verleihen. Die Mischung aus Klassik und sinfonischer Rockmusik fordert zwar genaues Zuhören, doch bleibt die Musik immer nachvollziehbar und spannend. Auf den Punkt gebrachte Gitarrensoli, satte Keyboardsounds (Minimoog, Hammond, Prophet) und die fast immer präsente Flöte verleihen den Klängen den letzten Schliff. Dass, was heute Bands wie die ungarischen After Crying wiederentdeckt haben, war bereits vor mehr als 20 Jahren in Osteuropa auf den Vormarsch. Zum Glück gibt es immerhin manchmal die Gerechtigkeit der Zeit, denn bei In Spe lohnt es sich wieder einmal auf Entdeckungsfahrt zu gehen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2000