CD Kritik Progressive Newsletter Nr.31 (07/2000)
Forgotten Suns - Fiction edge 1 (Ascent)
(70:33, Galileo Records, 2000)
Vor ungefähr zwei Jahren machte die portugiesische Band Forgotten Suns bereits mit ihrem Demo "Fiction edge" nachhaltig auf sich aufmerksam. Und zwar so nachhaltig, dass die Band mit Galileo Records das richtige Label fand, um ihren melodischen Neo Prog in die Welt zu transportieren. Zwar lässt der Bandnamen auf eine sehr enge Verwandtschaft zu Marillion schließen, was sicherlich auch musikalisch das eine oder andere mal prägnant durchscheint, doch wirkt die fünfköpfige Gruppe eine Spur moderner, zeitgemäßer, ohne jedoch die offensichtlichen Wurzeln zu verleugnen. Als ungefähre Vergleiche seien Bands wie Clepsydra, Collage, Dracma oder Violet District genannt. Eigentlich machen die Portugiesen fast alles richtig: die Musik strotzt vor guten Einfällen und melodischer Eleganz, aber auch die nötigen Ecken und Kanten wurden keineswegs stromlinienförmig geradegebügelt, was den Klängen die nötige Tiefe und Wärme gibt. Doch ein offensichtlicher Kritikpunkt bleibt: an manchen Stellen wurden die atmosphärischen Parts doch etwas zu arg in die Länge gedehnt, alleine beim über sechsminütigen Intro "Big bang" gibt es einen dreifachen Spannungsaufbau und -abfall, was der innerlichen Dramatik nicht gerade förderlich ist. Auch einige Übergänge im Mittelteil des Albums wirken aneinandergeklebt, künstlich gestreckt. Die Aussage, dass weniger einfach mehr sein kann, erfährt durch die fehlende Straffung hier seine Bestätigung. Doch genug kritisiert, denn abgesehen von diesem Manko, gehört "Fiction edge" sicherlich zu einer der stärkeren Debüts aus dem Neo Prog Bereich. Ausführliche Gitarren- und Keyboardsoli setzen die Spannungsmomente, der Gesang geht in Ordnung, die Produktion ist ordentlich, doch vor allem arbeiten Forgotten Suns sehr viel mit Atmosphäre und Dramatik, die von temporeicher Aggressivität, bis hin zu besinnlicher Ruhe reichen. Zwar graben sich die Melodien nicht sofort in die Gehörgänge ein und manche Idee wirkt noch eine Spur zu ungelenk, doch hinterlassen sie dennoch anbleibende Glücksmomente. Die sorgsam arrangierten Instrumentalparts geben Herz und Hirn reichhaltig Nahrung. Forgotten Suns bringen somit auch Portugal wieder auf die progressive Landkarte zurück, von dieser Band hört man in Zukunft hoffentlich noch mehr.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2000