CD Kritik Progressive Newsletter Nr.30 (05/2000)
Metaphor - Starfooted
(73:56, Galileo, 2000)
Die amerikanische Formation Metaphor, bisher nur als Genesis (-classic Ära) - Tribute- Band in Erscheinung getreten, legt mit dem Konzeptalbum "Starfooted" ihr Debüt auf dem ambitioniertem Schweizer Label Galileo - und gleich vorweg: Es ist ein echtes Hammerdebüt! Gleich bei den ersten Takten des Albums ist klar, dass ihre musikalische Vergangenheit noch auf sie einwirkt, doch anders als bei vielen langweiligen Plagiaten der klassischen Prog-Olympioniken, verfügen Metaphor über eigenen Charakter, über eine eigene Handschrift. Die eindrucksvolle Stimme des Sängers John Mabry entführt sofort in die Klangwelt dieses Albums, verwickelt den Hörer sofort in die mystischen Sphären der "Gnosis", einer alten, mystischen und reichlich verworrenen Theologie: "Starfooted" ist somit eine musikalische und gleichsam spirituelle Reise. Dabei (damit keine Missverständnisse aufkommen) wollen uns die Amerikaner nicht etwa bekehren: Keiner von ihnen ist Gnostiker oder sympathisiert mit ihnen, sie stehen dieser Theologie sogar sehr kritisch gegenüber - sie wählen die Grundlagen dieser Theologie schlicht als Faden für eine Reise, eine Geschichte aus. Wer sich freiwillig mit solch komplexen philosophisch-theologischen Problemstellungen auseinandersetzen möchte, findet auf der Metaphor Homepage einige Links zum Thema Gnostik. Doch auch ohne messianischen Eifer wirken die Texte, wirkt die Musik auf den Hörer. Der Sound der Formation ist recht prägnant. Gut, er erinnert tatsächlich deutlich an die glorreichen Genesis- Zeiten (v.a. die Gitarre von Malcolm Smith zitiert virtuos das große Vorbild Steve Hackett), doch kompositorisch schreiben die Amerikaner ihre eigene Musik. Wie gesagt, sie verfügen über reichlich eigene Substanz und brauchen sich nicht bei den gebrauchten musikalischen Entwürfen anderer zu bedienen. Die epischen Longtracks sind konzeptuell und musikalisch miteinander verbunden und offenbaren viele jener Zutaten, die den Prog erst musikalisch definiert haben: Mellotron- und Keyboard- Soundteppiche, komplexe und weitverzweigte Rhythmen, eine ständig über der Musik und den Vocals schwebende, webende Gitarre und einen überzeugenden Vocalisten. Viel Raum wird da zur Entfaltung der musikalischen Qualitäten der Instrumentalisten gelassen, gleich wenn die Produktion bisweilen ein wenig blechern, bisweilen nicht voll genug erscheint (sicherlich Resultat eines begrenzten Debütanten-Budgets). Ohne Frage: "Starfooted" ist ein exquisites, niemals langatmiges oder gar langweiliges Album, dass sich dem Hörer immer wieder neu erschließt und dass ihn (immer wieder) gefangen nimmt. Ein Werk, dass zur Exegese einlädt (irgendwie auch kein Wunder bei der Thematik) und bestimmt eine Scheibe, die höchsten musikalischen Genuss verschaffen kann. Progressive Rockmusik, wie man sie sich kaum besser vorstellen kann. Definitiv eines der besten Debüts des Jahres und einer der interessantesten Neuerscheinungen überhaupt.
Sal Pichireddu
© Progressive Newsletter 2000