CD Kritik Progressive Newsletter Nr.30 (05/2000)
King Crimson - The construKCtion of light
(58:23, Virgin, 2000)
Wer irgendwann einmal Interesse an Rockmusik hatte, kam an dieser Band nicht vorbei. Bis heute hat sich daran nichts geändert, King Crimson sind ein Zentrum der Rockmusik. Ich kenne keine Band, die eigenständiger, progressiver und vorbildhafter arbeitet. Diese Werte führt die zum Quartet geschrumpfte Band auch auf ihrem ersten Release im neuen Jahrtausend weiter. Diese CD wird maßgeblich stilprägend sein. Die Gitarren sind lauter, härter und deutlicher auf die 70er KC weisend, das Schlagzeug ist wie in den ProjeKCts mit den 80ern verwandt, das gleiche trifft auch auf Synthesizer und Bass zu. Und das Songwriting lässt eine bandinterne Werkschau erahnen, eine Retrospektive, die KC dennoch nicht in alte Schemata verfallen lässt. "FraKctured" und "Larks' tongues in aspic - Part IV", beide in Überlänge, sind überschäumende post-progressive Neuversionen der historischen Kompositionen, die den Originalen in nichts nachstehen. Die technischen Finessen der instrumentalen Parts sind hinreißend, ausdrucksstark und engagiert-komplex. "The construKction of light" ist wie ein Coltrane-Stück, immer auf der Suche nach der richtigen Improvisation, die doch nur Komposition ist. Teil 2 des Songs könnte glatt von einem 80er KC Album oder von "Thrak" stammen. Und schon der eröffnende "ProzaKc Blues" mit verfremdeter Stimme lässt erahnen, in welche Richtung KC uns entführen will. Heftige Gitarren, peitschende Drums und emotionale Gitarrenausbrüche treiben den Blues voran. "Into the frying pan" erinnert mich stark an "Starless", nur die groovenden Drums sind neue Charakteristika. "The world's my oyster soup kitchen floor wax museum" ist ein modernes Stück, laut-groovende Drums, fast Rap-Gesang, übermütig, angetörnt, farbenfroh, wild. Als Bonus lauert nach einer Minute Stille ein sanftes, zerflossen-spaciges Stück. "Heaven and earth" stammt von ProjeKct X. Wenn King Crimson im Jahr 2000 in solcher Art musiziert, werden Heerscharen von Bands folgen, diesen Stil in eigener Weise nachzuempfinden. Robert Fripp und seine jungen Mitstreiter (die mit KC aus den 70ern nichts gemein haben) gehen trotz Rückbesinnung nicht zu den Wurzeln zurück, sondern streben einer musikalischen Zukunft entgegen, die stilübergreifend Türen öffnen wird. Diese Musik ist Philosophie.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2000