CD Kritik Progressive Newsletter Nr.30 (05/2000)
Everon - Fantasma
(52:00, Mascot Records, 2000)
Drei Jahre ist es her, seit "Venus", das letzte Studioalbum von Everon, erschienen ist. Seitdem wurde Gitarrist Ralf Jannssen durch den "Neuzugang" Ulli Hoever ersetzt, die Band durchlitt wahrscheinlich ihre schwerste Zeit und auch noch Roadie Detlef Dohmen kam bei einem Autounterfall tragisch ums Leben. Konsequent, dass ihm dieses Album gewidmet wurde und es textlich hauptsächlich um Verluste geht. Aber bei Everon ging es schon immer nicht nur um einen ansprechenden musikalischen Inhalt, neben den Texten, setzen auch Layout und Produktion Maßstäbe. Auch bei "Fantasma" stimmt alles, beim geschmackvollen Artwork überwiegen die blauen und dunklen Töne, die Produktion wurde mit viel Power und Volumen in den heimischen Space Lab Studios aufgenommen und wiederum, wie schon bei den Vorgängern, von Eroc verfeinert, sprich gemastert. Doch wie sieht es nun mit dem musikalischen Inhalt aus? Die Antwort lautet: Fast so wie immer, aber irgendwie doch nicht, auf jeden Fall, um das Gesamturteil vorwegzunehmen: es lohnt sich dieses sinfonische Kleinod voller, ausgeklügelter Melodien genauer und vor allem mehrfach anzuhören. Trotz, dass sich die Band von der inzestuösen Prog Szene distanziert, klingt "Fantasma" komplexer und, hoppla jetzt kommt leider das Unwort, progressiver als bisher. Doch neben ausgefeilter Technik und Bombast, die aber eindeutig der Songidee untergeordnet werden, haben Everon immer noch einen ganz großen Vorteil gegenüber anderen Bands: sie verstehen es, packende, emotional mitreißende Melodien zu schreiben. Mit "May you" ist Ihnen diese mal zudem eine Power Ballade gelungen, die, sofern es noch Gerechtigkeit in der heutigen Medienlandschaft gäbe, in die Hot Rotation ins Radio gehören würde. Daneben rockt es aber auch richtig gut los. Breaks an der richtigen Stelle sorgen für Spannung und Dramatik. Aber auch der fünfteilige, über 12-minütige Titelsong wartet mit Überraschungen, sprich Intermezzo an Cello und ruhigen, besinnlichen Parts auf. Einzig der dritte Song "Fine with me" fällt etwas im Vergleich zu den anderen Liedern ab, zeigt, dass auch bei Everon nicht jede Idee zünden muss. Doch insgesamt ist "Fantasma" ganz einfach hervorragend produzierte und arrangierte, anspruchsvolle Rockmusik, die sowohl Bauch, als auch Kopf bedient. Eine melodischer Leckerbissen zum Genießen!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2000