CD Kritik Progressive Newsletter Nr.29 (03/2000)

Budka Suflera - Akustycznie
(60 min plus ein paar Bandmeter mehr, New Abra, 1998)

Da ich Anfang dieses Jahr das erste Mal Polen besucht hab, und soviel sei verraten, es war bestimmt nicht das letzte Mal, war ich natürlich total gespannt, was die Musikläden für Schätze für mich bereithalten würden. Als musikalische Reiseliteratur hab ich Tim's Polenartikel aus dem Carpe Noctem mitgenommen und um den Bogen zur Überschrift zu finden, mit einem Satz wurde dort unter dem Oberbegriff anspruchsvolle Rockmusik der Name Budka Suflera erwähnt und meine Neugier somit geweckt. Um es direkt mal deutlich zu machen, in Polen sind CDs für Otto Normalverbraucher eigentlich immer noch unerschwinglich, 20 DM bei einem Monatsgehalt von drei- bis fünfhundert Mark machen deutlich, dass die CD ein Exportartikel ist, das heimische Publikum aber immer noch auf die Cassette zurückgreifen muss. Dementsprechend war in dem Ort, in dem ich mich aufhielt (es war Zakopane, touristisch voll erschlossen - Stichwort: Skispringen), in den Musikläden die CD die große Ausnahme und wenn es welche gab, dann war's kein Prog, sondern eher Tina Turner und andere Größen des Rockgeschäfts. Aber zurück zum vorliegenden Album. Das gibt's auch auf CD, ich hab's nur zu spät gesehen, deswegen hier die Cassettenversion. Die Band gibt es schon über 25 Jahre und dementsprechend viele Alben (mindestens 18 - siehe Homepage www.budkasuflera.com.pl) gibt es. "Akustycznie" ist das neueste und nach meiner Einschätzung eine Art "Best-of" Album (Copyrights sind von 76 bis 98 gestreut) in akustischer, teilweise orchestral aufgepeppter Live-Version. Den progressiven Olymp können die Polen damit nicht erklimmen, aber es ist klasse und absolut professionell aufgemachter akustischer Pop-Rock mit orchestraler Unterstützung und wer wie ich Alben wie "Backstage Pass" von der Little River Band kennt und schätzen gelernt hat, mag eine Vorstellung davon bekommen, was ihn erwartet. Profis an allen Instrumenten, akustische Gitarre in wunderbarer Klarheit; eine Stimme, die mit griffiger Aggressivität immer in polnisch (sollte aber seit Quidam, Abraxas, Lizard und anderen guten polnischen Bands keinem von uns mehr Probleme bereiten) einige Höhen erklimmt, ohne ihre Souveränität zu verlieren, Violinen, die im Hintergrund Volumen schaffen und unauffällige Percussions, die mit Schlagzeugarbeit, Bass, Klavier und Chor eher im Hintergrund agieren. Gitarre und Gesang stehen klar im Vordergrund. Ein perfekt ausgesteuertes Album, das als Wehrmutstropfen das von uns bevorzugte Stilmittel, aus der normalen Songstruktur auszubrechen, zu wenig beinhaltet (längster Song knapp acht Minuten), um als progressiv betitelt zu werden und manchmal als etwas zu zuckersüß (die Streicher) rüberkommt. Trotzdem glaube ich, dass ein Kauf von denen, die dieser Artikel noch nicht abgeschreckt hat, nicht bereut wird, falls man es denn irgendwo erwerben kann.

Michael Beckerle



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