CD Kritik Progressive Newsletter Nr.29 (03/2000)
Marc Wagnon - Shadowlines
(58:06, Buckyball Records, 1988)
Seit es das Internet bis in mein Musikzimmer geschafft hat, ist die Welt viel größer und gleichzeitig kleiner geworden. Ich kann bis in die entferntesten Ecken der Kontinente und Inseln surfen und Kontakt zu vielen Menschen / Musikern / Bands / Labels finden. Alles wird erreichbar. So habe ich unter www.buckyballmusic.com die Musik von Marc Wagnon entdeckt. "Shadowlines" ist ein Album aus 1988, das er auf seinem Label wieder veröffentlicht hat. Sonst wäre diese grandiose Musik an mir wie an vielen anderen Menschen vorbei gegangen. Das Internet ist eine Chance für jeden, der seine Produkte an den Mann bringen will. Jeder weiß, dass Qualität allein nicht zählt. Diese traumhaft elegante und ausgeprägt spannende Musik ist von wirklich erstaunlicher Kraft, das allein bringt ihm heute kein Label mehr ein. Label gründen, Musik veröffentlichen und im Internet anbieten wird bei steigenden Nutzerzahlen immer wichtiger. Marc Wagnon, seines Zeichens Vibraphonist, ist ein begnadeter Komponist, der mit ausgezeichneten Musikern die beiden Alben eingespielt hat. Die Arrangements sind voller Leben, Vitalität. Die Soli sind fließend, spannend, kraftvoll. Die Rhythmussektion verspielt und den Balladen, schrägen Stücken und Rockern einen vibrierenden Boden bereitend. Traumhaft die Parts, in denen Vibraphon, Bass, Schlagzeug und Stimme / Gitarre / Bläser unisono für andauernde Gänsehaut sorgen. Stilistisch hält sich Marc Wagnon im Jazzrock / Fusion auf, wobei Fusion eher überwiegt. Doch die Songs können auch in funkigen Groove steigen. "Aria" auf Afterthought ist ein Zeuhl - inspiriertes Stück, in dem sich die klare und volle Altstimme Sarah Pillowïs für raue Jazzvocals sorgt. Gleich drauf "slow burn" könnte glatt von "Feels good to me" von Bruford (Der Yes-, King Crimson- und Genesis- Drummer hat unter seinem Namen vier unglaubliche Werke veröffentlicht) stammen. Die Band könnte aus Canterbury stammen. Das stete Vibraphon erinnert auch an die Mittsiebziger Werke von Zappa. Wagnon lässt seinen Mitstreitern genug Raum für lange Soli und Improvisationen. Trompete, Posaune, Gitarre oder auch die ganze Band weben ausgefeilten instrumentalen Sound. Weit entfernt von langweiligen Nervtötereien erfahren wir, was Musiker heute auf die Beine stellen können, wenn sie einen kongenialen Komponisten als Kopf haben.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2000