CD Kritik Progressive Newsletter Nr.29 (03/2000)

Mastermind - Angels of the apocalypse
(70:10, InsideOut, 2000)

Es ist nicht immer einfach eine unvoreingenommene Kritik zu schreiben. Mastermind gehörten zu jenen Bands, mit denen bei mir vor mehr als 8 Jahren der Gang in die Underground Progressive Rock Szene begann. Im Juli '97 klappte es endlich die Brüder Bill und Rich Berends persönlich kennen zulernen und sogar ein Konzert mit den Amerikanern zu veranstalten. Der Kontakt riss danach nicht ab und immer wieder finden deshalb emails ihren Weg über den Atlantik, in denen sich über die aktuellen Geschehnisse, auch abseits der Musik (z.B. die einseitige Darstellung des Kosovokriegs in den amerikanischen Medien) ausgetauscht wird. So weit die Vorgeschichte. Ihr massiver Hard Rock / Fanfarensound begeisterte mich aber auch heute noch, deswegen vorweg schon mal gleich die Entschuldigung, wenn diese Kritik etwas zu überschwänglich und positiv wirkt. Mastermind gehen bei ihrem sechsten Studioalbum weiterhin konsequent neue Wege. War ihr letztes Studiowerk "Excelsior!" noch rein instrumental und ansatzweise von Jazz Rock Elementen durchzogen, so ist auf dem neuen Longplayer zum ersten mal Sängerin Lisa Bouchelle mit von der Partie. Mit ihren kraftvollen, variablen Stimme, die etwas an die Kanadierin Lee Aaron erinnert, macht sie den bisherigen Schwachpunkt der Band, nämlich den Gesang von Bill Berends (nur noch als Backgroundsänger zu hören), vergessen und verleiht der Musik eine neue Dimension. Ebenfalls wieder mit dabei ist Stratovarius und Ex-Yngwie Malmsteen Keyboarder Jens Johannson, der, sofern es seine Zeit zulässt, demnächst auch mit Mastermind auf Tour gehen möchte. Doch nicht alles ist neu. Geblieben ist der gnadenlose Bombast, harte Riffs, flottes Tempo und die Power mit der der orchestrale Hard Rock aus den Boxen dringt. "Angels of the apocalypse" ist härter als die Vorgänger, aber auch wesentlich songorientierter, trotz, dass die Lieder sich hauptsächlich im 6 Minuten Bereich bewegen. Doch Mastermind spielen keinen Bombast ohne Inhalt, mal sind es schon fast jazzige Gitarrensoli, dann wieder Duelle zwischen Keyboards und Gitarre, selbst Parts an der akustischen Gitarre finden Platz oder es ist der Gastauftritt von Ozone Quartet Geiger Hollis Brown, der der Musik das Prädikat "hörenswert" verleiht. Ihren Ruf als moderne, deutlich härtere Version von Emerson Lake & Palmer untermauern die Amerikaner mit einer furiosen Coverversion von "The endless enigma", die wuchtig diesen Titel in neuen Glanz erstrahlen lässt. Eigenartigerweise befinden sich zudem die besseren Titel am Ende des Albums, der Bonustrack "Only in my dreams" kommt fast noch besser daher als die regulären Titel und das von Background Deathmetal Gegrunze(!) untermalte "The beast of Babylon" strotzt ebenfalls vor unbändiger Kraft. Ein weiteres Kapitel der Geschichte von Mastermind wurde aufgeschlagen, in dieser Form sind auf dem richtigen Weg ins neue Jahrtausend!

Kristian Selm



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