CD Kritik Progressive Newsletter Nr.29 (03/2000)
King Crimson - The ProjeKcts Live
(50:23 + 64:52 + 54:29 + 56:52, Discipline Global Mobile, 1999)
King Crimson ist Robert Fripp. Und Robert Fripp ist King Crimson. Seit dem Ende der Sechziger Jahre ist Fripp mit seiner Gitarre, seinen Bands und ProjeKcts unentwegt innovativ in der Rockmusik tätig. Die ersten vier Alben waren sinfonisch-elegischer Rock, die auch schon mal heftig in den Jazz, Hardrock und Avantgarde ausbrechen konnten. Danach spielte die Band einen heftigen, progressiven Avantgarderock, der solche Alben wie "Red", "Larks' tongues in aspic" und "Starless and bible black" hervorbrachte. Anschließend löste Fripp die Band auf. In etlichen Projekten, mit verschiedenen Musikern (Brian Eno, Phil Collins, Peter Gabriel, David Byrne) verbrachte er die zweite Hälfte der Siebziger. Er war Gast bei Bands, löste Stilbrüche aus, indem er mit Musikern arbeitete, die in anderen Gefilden der Rockmusik tätig waren. Und er entwickelte die Frippertronics (elektronische Töne an der Gitarre), denen er ganze Alben widmete. Anfang der Achtziger Jahre gab es King Crimson wieder. Jedoch in einem völlig neuen Kontext. Die Band machte einen frischen, deutlich veränderten Sound. Die Songs waren kurz, von einem einfacheren Beat untermalt, New Wave. "Discipline", "Beat" und "Three of a perfect pair" begaben sich deutlich in den Pop. Doch wieder löste Fripp die Band auf. Mit David Sylvan spielte er Alben ein. 1994 lag in den Läden das Produkt der 90er Jahre Inkarnation von King Crimson. Die Musik war eine Mixtur aus den new wavigen 80ern, den avantgardistischen 70ern und neuen 90er Jahre Klängen. Knackige Rocksongs und elegische Stücke wechselten sich ab. Die Wiederkehr war gelungen. Außerdem betrieb Fripp jetzt Restauration. Die frühen Alben kamen digital gemastert auf den Markt. Lange von den Fans eingeforderte Konzerte aller Bandperioden wurden veröffentlicht (und der Bootleg - Markt entlastet, der bei King Crimson besondere Blüten trieb). Die schier unzähligen, in kurzen Abständen auf den Markt gegebenen CDs lösten einen Boom aus. Nicht nur, dass zahllose Songs nie vorher offiziell erhältlich gewesen waren, Fripp veröffentlichte sein stetes Tourtagebuch und gab viel von den Verhältnissen innerhalb King Crimsons bekannt. Die heutige Inkarnation der Band besteht aus sechs Musikern: Robert Fripp, Tony Levin, Trey Gunn, Bill Bruford, Adrian Belew und Pat Mastelotto sind die "Doppelband". Fripp meint in einem der Tourtagebücher in dieser 4-CD-Box: "Wir sind an einem Punkt angekommen, wo ich die Band früher aufgelöst hätte. Heute jedoch ist das nicht die Absicht der Band. Wir haben uns in verschiedene Bandprojekte, die ProjeKcts, aufgegliedert, um den King Crimson Sound in verschiedener Intension ausführlich zu erläutern." Und so gibt jede CD ein Konzert der vier ProjeKcts wieder. ProjeKct One, bestehend aus Fripp, Levin, Gunn & Bruford, live at the Jazz Cafe ist am deutlichsten mit der 74er Phase der Band verwandt. Zwar gibt sich die Band wie 1994 auf dem Studioalbum, doch der Charakter der Stücke weist weit in die Vergangenheit und in den Jazz. Teils entwerfen sich Bilder, die dem Jazzrock ein spätes Statement geben. Der groovend-grummelnde Bass und das stetig treibende Schlagzeug malen einen Teppich, auf dem sich die beiden Gitarren (elegisch, noisy, schräg) austoben können. Auch ist der minimalistische Ton auszumachen, der in den anderen drei ProjeKcts deutlicher zu Tage tritt. ProjeKct Two (Belew, dr, Fripp, g und Gunn, g) nennen ihr Album Live Groove. Space Rock, von elektronisch verfremdeten Gitarren illuminiert und weit treibend, wird immer wieder von beißenden Akkorden verändert. Die Melodien einiger Stücke begeben sich in den typisch abstrakten Charakter der eigentlichen Band. Vor allem Fripps Gitarre baut verschachtelte und rhythmisch verschlagene Melodien, die ungeheuer faszinieren. ProjeKct Two groovt erheblich fließender als One, was dem Space Rock Weite und Epik gibt. ProjeKct Three (Fripp, g, Gunn, g, Pat Mastelotto, electronics, buttons) gehen noch einen Schritt weiter und weben ambiente Strukturen ein, was ungemein packt. Es bleibt beim Rock, der erheblich elektronische Züge aufweist und irgendwie mit keiner Band vergleichbar wirkt. Teils scheinen es rein elektronische Phasen zu sein, auf denen Fripps Gitarre schwebt. Und als würde ProjeKct Four die Krönung sein, geht die Band wiederum einen Schritt weiter. Fripp, g, Levin, bs, Gunn, g und Mastelotto, electronics, buttons musizieren einen Zirkel aus Electronic, Drum'n'Bass, Ambient und weiten Space Groove, der wie kein anderes ProjeKct weitschweifend und entschwebt erzählt. Es scheint, als entfernte die Band sich immer weiter von allem, was sie einst gewesen, ja, als entfernte sie sich von allem überhaupt. Diese musikalische Reise durch die Milchstrasse und das ganze Universum erzählt von neuen Welten und fremden Galaxien. Ich bin mir sicher, dass es der Jünger nicht wenige sein werden, die auf diesen Zug, Verzeihung, diese Raumgleiter aufspringen (Beam me up, Crimson) und die Vorreiterrolle King Crimsons zu erreichen suchen werden. Sollen sie, Fripp & Band sind die Kapitäne.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2000