CD Kritik Progressive Newsletter Nr.29 (03/2000)
Michael Hedges - Oracle
(44:27, Windham Hill Records, 1996)
Dieser Name war mir nur düster in Erinnerung geblieben, als ich letztens auf dem Flohmarkt rund um's Müngersdorfer Stadion an einem Stand neben der Electric Family CD (Kurzkritik op kölsch: Se es nit der Bringer, echt nit!) die CD dieses interessanten Künstlers ausgrub. Wie man in der Überschrift schon erkennen kann, wird dieser Ausnahmegitarrist auf dem Windham Hill Label vertrieben und wer schon Veröffentlichungen dieses Labels kennt, der weiß, was ihn erwartet. Akustische Handarbeit vom Feinsten! Ja, das waren noch Zeiten, als noch so richtig Platz für Werbung bei so einem Tonträger dabei war; hundertsoundsoviel Gramm Vinyl wollten ja ordentlich verpackt sein und die Hülle im Innern war wie 'ne Litfass-Säule und bei Windham Hill wurde das auch immer gnadenlos ausgenutzt für die Labelkollegen. Und deswegen kannte ich den Namen auch von einer George Winston-Plattenhülle (kennt der eine oder andere von euch ja vielleicht). Dieser Name hilft euch auch weiter in der Einordnung, was dieser Michael Hedges denn nun so eigentlich auf der CD so treibt. Das was der gute George auf dem Piano an atmosphärischen entspannenden Feelings rüberbringt, macht Michael Hedges mit seiner Akustikgitarre. Wunderbare relaxte Stücke in, die trotz absoluter Gitarrendominanz, es wird nur ab und zu mal mit Fretless Bass und Mundharmonika und Flöte unterbaut und bis auf den Bass alles von ihm selbst eingespielt, zeigen, dass manchmal weniger mehr ist. Im Booklet kann man dann auch erfahren, dass dies sein mindestens fünfter Output sein müsste. Man könnte das Album auch als Songwriteralbum durchgehen lassen, aber bis auf einen Song singt da keiner und Schrammelgitarre ist auf dem Scheibchen auch nicht drauf, war`s also wieder Essig mit der Schublade. Covern tut er dann auch noch und zwar "Tomorrow never knows" von Lennon/Mc Cartney sowie das "Sofa No.1" von Frank Zappa und ein Song sollte eigentlich "Greensleeves" heißen, aber das tut der Qualität dieses Albums keinen Abbruch. Die Aufnahmequalität kann nur als erstklassig bezeichnet werden (das Label wirbt nicht umsonst damit) und so hört sich's an, als säße er im gleichen Raum. Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Fans von z.B. Anthony Phillips "Private parts and pieces", die mit akustischer Gitarre bestritten werden, einen Test außerhalb des Genesisumfeldes in Erwägung ziehen sollten und alle, die ein Faible für eher entspannende Klänge bei Kerzenlicht haben, genauso bedient werden. Ich bekenne, ich brauch das auch ab und zu.
Michael Beckerle
© Progressive Newsletter 2000