CD Kritik Progressive Newsletter Nr.29 (03/2000)

Gestalt - Gomorrha vs. Khan
(62:00, Musea, 1999)

Echt sonderbar! Schon der vielsagende Kommentar von Herrn Jörger (alias Meister des Gates Of Delirium) verhieß nichts Gutes. "Das kann man nicht beschreiben, hör es Dir einfach mal an!" lies einiges befürchten. Doch es kam noch schlimmer. Hatten japanische Bands schon immer einen Hang zum Skurrilen, so setzen Gestalt dem Ganzen noch die Krone auf und heben sich auf den Olymp zu den Göttern der Eigentümlichkeiten. Der extreme Kampf zwischen Khan, dem Orient und Gomorrha, der Psy-Phy Seite (was auch immer das bedeuten mag?!) hat keinen Gewinner, sondern bietet dem Zuhörer einen Mikrokosmos an abgedrehter Genialität. Man stelle sich vor, man nehme den bohrenden rhythmischen Minimalismus von Magma, die extremen Seiten von King Crimson in metallischer Verschärfung und drehe dies durch den Fleischwolf unter Beifügung von orientalischer Folklore und Space Rock, und dann kann man ungefähr erahnen, was die Musik von Gestalt für eine Gestalt annimmt. Doch sind es nicht nur die Extreme mit stakkatoartigen Gesang und Melodien von bohrender Gewalttätigkeit, sondern die krassen Gegensätze, die den aparten Galopp mit Godzilla durch die Wüste auch mal ganz plötzlich zum Stillstand und zur Besinnung kommen lassen. So stolpert man völlig desorientiert durch den Bazar, wird hinterrücks von Gitarre oder Saxophon attackiert, um in einem Melodiegesummsel gleich drei Gänge zurückgeschaltet zu werden, in Erwartung von sphärische Fasern. Nicht der Einzelne, sondern das Zusammenspiel, um einen famosen Gesamteindruck zu erreichen, ist das Ziel, und dies wird zweifelsohne mit Bravour erreicht. Kein Album für schwache Nerven, aber trotzdem besteht der Kampf zwischen "Gomorrha vs Khan" immer noch aus handfesten Songlinien, an denen man sich entlang hangeln kann, ohne einfach nur Abgedrehtheit ohne jeglichen Sinn präsentiert zu bekommen. Gewagt und eindrucksvoll.

Kristian Selm



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