CD Kritik Progressive Newsletter Nr.29 (03/2000)
Nilton Gappo - Secret gardens
(54:39, Rock Symphony, 1999)
Zum Glück können selbst Vorurteile manchmal völlig über den Haufen geworfen werden. Was hat man denn schließlich schon für heruntergeschraubte Erwartungen, wenn man ein Album aus Brasilien von einem Ein-Mann-Projekt in den Händen hält? Au weia, dass ist doch sicherlich so furchtbares Rumgeklimpere ohne Ziel und Richtung. Doch was Nilton Gappo auf "Secret gardens" abliefert, überrascht in mehrfacher Hinsicht. Interessanterweise umspannt die Musik auf diesem Album eine Zeitspanne von 1979 bis 1999, dennoch klingt das Album sehr geschlossen und homogen. Nilton Gappo spielt sowohl Gitarre, Bass, Esraj (indianisches 19-saitiges Instrument), Keyboards und Schlagzeug und seine Kompositionen sind weit davon entfernt sofort durchschaubar oder langweilig zu sein. Der Opener "Planetary walk" bezieht sich auf die modernen King Crimson, während "Winter sun" eindeutig von Genesis beeinflusst wurde, einem Stilmerkmal, welches noch des öfteren zum Tragen kommt. Die Plattenfirma spricht von der "Wind and wuthering" Phase, was vorbehaltlos bejaht werden kann. Neben dem Progressive Rock Einfluss, spielen aber ebenso Fusion Elemente, wie auch World Music eine Rolle, ohne dabei jedoch in Gefrickel und Selbstbeweihräucherung abzugleiten. Die Arrangements sind teils komplex, aber nicht überladen, teils mystisch, hypnotisch, ohne jedoch an Gehalt zu verlieren. Mal setzt Nilton Gappo die Gitarre in den Vordergrund, dann gibt er den Keyboards Raum zur Entfaltung, wobei er hervorragend auf Saiten und Tasten ebenso solistisch Akzente setzt. Es entstehen somit kleine Sinfonien, die sehr viel von Stimmung und Atmosphäre leben. Eine handfeste, instrumentale Überraschung aus Brasilien von einem Künstler, der wirklich zu Recht als Multi-Instrumentalist gelten darf und nicht nur als zweifelhafter Schamane der besorgniserregenden Notenfindung. "Secret gardens", nicht nur ein Garten voll Geheimnisse, sondern auch ein Wiederentdeckung und Verschmelzung von alt und neu.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2000