CD Kritik Progressive Newsletter Nr.28 (12/1999)

Anekdoten - From within
(51:06, Virta, 1999)

Hurra, sie sind wieder da!!! Wurde aber auch so langsam Zeit. Ich war natürlich gespannt, in welche Richtung sich Anekdoten musikalisch entwickeln würden. Gibt es Überraschungen, wird der Schrägheitsfaktor von "Book of hours" noch gesteigert? Die erste Frage kann ich schon einmal vorweg mit nein beantworten. Anekdoten sind ihrem Stil treu geblieben. Düstere Stimmung, wehleidiger Gesang, schräge Mellotron-Passagen, treibende Drums und das gewaltige Bass-Spiel von Jan Erik. Die zweite Frage kann ich allerdings auch mit nein beantworten. Erstaunlich zugänglich sind die Kompositionen geworden, sie gehen trotz Ihrer Schrägheit irgendwie direkt ins Ohr und hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck. Und gerade Live ist es immer wieder ein Genuss, diese Musik zu erleben. Es gibt wenige Verschnaufpausen. Direkt die ersten beide Songs zeigen, was die Musik von Anekdoten ausmacht. "Hole" würde ich einmal als Anspieltipp empfehlen, gerade denjenigen, denen sich bislang schon beim Name Anekdoten der Magen umgedreht hat. Erinnert mich vom Aufbau her ein wenig an das King Crimson Überstück "Starless", allerdings ohne den Jazzeinfluss. Hier gibt es wundervolle Mellotronpassagen und eine Menge, ja man höre und staune, Bombast. Und die Mischung macht es eben. Aggressive Parts, gepaart mit phantastisch, bombastisch anmutenden Mellotronpassagen und der Wechsel zwischen genialer Monotonie, Minimalismus und diesen bereits oben beschriebenen ausufernden infernalen instrumentalen Teilen und das wollt ihr doch hören, oder???? Und wer wie gesagt Anhänger der Mitsiebziger-Crimson Phase ist und Anekdoten immer noch nicht kennt, der sollte schleunigst mal reinhören, obwohl ich die Band auch nicht wiederum als Crimson-Plagiat bezeichnen möchte. Sie haben schon eine gewisse Eigendynamik entwickelt und sind wohl der momentan bekannteste und interessanteste Vertreter dieses Stils. Beide Daumen hoch!

Jürgen Durau



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