CD Kritik Progressive Newsletter Nr.28 (12/1999)

Mostly Autumn - For all we shared...
(65:58, Cyclops, 1998)
Mostly Autumn - The spirit of autumn past
(69:20, Cyclops, 1999)

So ein Pech, wenn die Vorankündigung der Plattenfirma höhere Erwartungen weckt, als dies die Wirklichkeit zulässt. Bei Mostly Autumn ist die Rede von einem "Debüt, welches bestimmt ist, zu den besten Debüts aller Zeiten zu zählen", sowie "Musik, die das Zusammenspiel und die Strukturen des Progressive Rock und die Melodien des Mainstreams vereint". Doch wie groß ist die Enttäuschung, wenn bestenfalls zweitklassiger Celtic Rock mit Folk und Sinfonikpassagen geboten wird. Das so hochgelobte 98er Debüt will melodisch sein, doch der Gesang von Bryan Josh und Heather Findlay wirkt ungewollt schräg und schlecht aufeinander abgestimmt. Doch hat man die ersten beiden eher durchschnittlichen Songs hinter sich gebracht, lässt "The last climb" endlich erkennen, was mit der Verschmelzung von Pink Floyd und Celtic Rock gemeint wurde. Die Geige juchzt traurig, die Gitarre weint hingebungsvoll, endlich lösen Mostly Autumn ihre Vorschußlorbeeren ein. Doch viel zu schnell ist die Magie des Moments vorbei, und schon beim nächsten Song zieht der bemühte Gesang die Musik hinab in die Gewöhnlichkeit und hemmt die vorhandene Ausstrahlungskraft. Gleichgültige Gesangsmelodien im Gegensatz zu den schönen Gitarrenlinien und Momenten an der Geige lassen die Qualität leider zu stark auseinandergehen, was den Höreindruck nicht unerheblich hemmt: instrumental mitreißend, beim Gesang Abstriche. Doch in dem Augenblick, als Heather Findlay alleine die Frontrolle übernimmt gewinnt auch die Musik und im weiteren Verlauf steigern sich Mostly Autumn immer mehr, so dass zu Recht von einem gelungenen Debüt gesprochen werden kann. Beim Nachfolger "The spirit of autumn past" scheint man aus den Fehlern des Erstlings gelernt zu haben. Die Band klingt gereifter, musikalisch ausgewogener und auch die sinfonischen Elemente treten eindeutig mehr in den Vordergrund. Als Gastmusiker hat man sich zudem Iona's Troy Donockley bei einem Lied ausgeliehen, was nur ein Indiz dafür ist, wie mehr Qualität in den Silberling gebrannt wurde. Ebenfalls wird der Folkeinfluss mehr herausgestellt, so dass dieses Album wesentlich ausgewogener und ausgeglichener klingt. Keltischer Folk, melodischer, allerbester Neo Prog und sinfonischer Bombast gehen eine Symbiose ein, die über weite Strecken überzeugen kann, obwohl es immer noch Stellen gibt, die zu simpel wirken. Um bei Mostly Autumn einzusteigen, empfehle ich deswegen aus den eben angeführten Gründen das zweite Album. Eine Band mit guten Absichten, die zukünftig sicherlich noch mehr Eigenständigkeit und Originalität gewinnen wird, aber eindeutig auf dem richtigen Weg ist.

Kristian Selm



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