CD Kritik Progressive Newsletter Nr.27 (09/1999)

Banco Del Mutuo Soccorso - Io sono nato libero
(40:42, Dischi Ricordi, 1973)

Ohne jeden Zweifel, dieses Album ist ein echter Klassiker der italienischen Prog-Szene, ja ein Klassiker der Prog-Geschichte überhaupt, eines jener Alben aus der glorreichen Zeit (genauer, aus dem glorreichem Jahr 1973, in dem so viele Klassiker entstanden), an denen man sich einfach nicht satt hören kann, bei dem man auch nach dem x-ten Anhören Neues und Wundervolles wiederfindet. Banco ist vielleicht die italienischste Prog- Formation der 70er, ihre Musik greift (ähnlich wie bei den anderen großen italienischen Bands PFM, Le Orme und New Trolls) auf andere Vorbilder, auf eine andere Vorgeschichte zu - weniger das Post Sgt.-Pepperesque (Was für ein Wort!), weniger das symphonische - Banco greift auf das ureigene italienische Repertoire zurück: die Texte der großen italienischen Liedermacher, eindeutig politische Texte; die folkige und, bei aller Virtuosität der Instrumentalisten, melodiebewusste Musik, nicht zuletzt auf die italienische Sprache selbst. Nicht umsonst sind alle englischen Versuche italienischer Progbands in jener Zeit kläglich gescheitert, trotz so illustrer Nachhilfelehrer wie Peter Hammill (Le Orme) und Pete Sinfield (PFM). Das Herzstück das Albums, der Opener "Canto nomade per un prigioniero politico" (Nomadenlied für einen politischen Häftling) mag als Paradebeispiel dafür dienen: Zunächst ist da die charismatische und unverwechselbare Stimme von Francesco Di Giacomo: flehend, klagend, emphatisch, pathetisch, theatralisch - all das gipfelt im Kernsatz des Stücks, des Albums "Io sono nato libero" (Ich bin frei geboren) - erst dann entwickelt sich die Musik, erst dann wird den vorzüglichen Instrumentalisten Raum gelassen, allen voran die Nocenzi- Brüder an den elektrischen und akustischen Tasten. Das soll nun bestimmt nicht heißen, dass die Musik Bancos kopflastig, nur für Italophone zugänglich oder gar unmusikalisch ist - sie wirkt mit oder Verständnis der Texte, sie wirkt weil die Musik eben nicht das Plagiat eines angelsächsischen Konzepts ist, sondern eine ausgereifte und völlige stimmige Interpretation der progressiven Rockmusik. Nur selten kann man die großen Brüder im Geiste erahnen - Gentle Giant am ehesten, vielleicht auch Keith Emerson, der Rest der Champions League ist durchaus da, aber er taucht nicht mehr in eindeutigen Zitaten auf (besser so!). Ich wiederhole mich, weil man bei solch großartigen Alben wirklich nicht das in Worte fassen kann, was man hört: "Io sono nato libero" ist ein großartiges Album, ein Klassiker, der beispielhaft wie nur wenige andere Alben aus Italien für die Creme de la Creme italienischer Rockmusik steht.

Sal Pichireddu



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