CD Kritik Progressive Newsletter Nr.27 (09/1999)
Premiata Forneria Marconi - The world became the world
(40:02, BMG Ricordi, 1974)
Hust, röchel, öchö!! Nach Banco schon wieder 'ne Band mit Oldtimerstatus, bei der es sich lohnt (soviel sei dem Fazit schon mal vorweggenommen), die Staubschichten der Jahrzehnte zu entfernen. Und auch hier wieder ist dieses 25 Jahre alte italienische Kulturgut dem deutschsprachigen Gourmet sinfonischer, als auch frickeliger Töne rezensionsmäßig vorenthalten worden. Als hätte es die Band nie gegeben. Also sei das hiermit schleunigst nachgeholt! Die "The world became the world" stammt mit Baujahr 74 ungefähr aus der Mitte und dem Höhepunkt der Schaffenszeit der Band. Man versuchte mit dieser CD mit Texten von Peter Sinfield (King Crimson) auf Englisch den internationalen Bekanntheitsgrad zu vergrößern. Ob's verkaufszahlenmäßig was genützt hat, weiß ich nicht, aber auf jeden Fall sind die Vokals angenehm akzentfrei und von der Klangfarbe bei Greg Lake oder Stanley Whitaker von Happy The Man mit deutlichen Gabrielanleihen einzusortieren. Neben dem klassischen Rockbandinstrumentarium von Gitarre, Bass, Keys und Drums ist hier noch eine Violine vertreten und trotz kompositorischer Verwandtheit zu Banco (beide Bands nutzen das Spektrum von Klassik bis fast zum Jazz aus) ist der Unterschied in der Bedeutung und Dominanz der Instrumente zu suchen. Sie agieren hier gleichberechtigter und gruppendienlicher miteinander. Gleich beim ersten Song "The mountain", 10:44 min lang, kommt die Besonderheit von PFM zum Ausdruck. Die Einleitung wird von einem klassischen Chor übernommen, so dass man meinen könnte, jemand hätte einem 'ne falsche CD untergejubelt und dann wird man wieder rausgerissen von einem sperrigen Part nur um wieder symphonisch mit Gitarre und Keys eingelullt zu werden und in dieses Wechselbad der Gefühle mit sich dann auch noch der Chor ein. - Klasse! Nach "Just look away", einer Ballade wird bei allen anderen Songs deutlich, dass man trotz eindeutiger Soundverbundenheit mit den Siebzigern abwechslungsreich zu komponieren verstand. Vom Bombastrock beim Titelsong bis hin zu stakkatoartigen Elementen, die man eigentlich eher von Cuneiform-Veröffentlichungen her kennt in "Have your cake and beat it", einem Instrumentaltitel ist alles möglich. Und das macht sie interessant. Wer mal Abwechslung von der 50'sten mittelmäßigen Neo Prog Combo sucht und dem antiken Genesissound nicht abgeneigt ist, sollte diesen italienischen Klassiker mit deutlichen Happy the man-Reminiszenzen auf den Einkaufszettel schreiben - und zwar ganz oben hin.
Michael Beckerle
© Progressive Newsletter 1999