CD Kritik Progressive Newsletter Nr.27 (09/1999)
Lost Tales - A volo radente
(51:11, Mellow Records, 1999)
Wer guten, soliden Neo Prog mag, der muss inzwischen nicht mehr nur auf die neuesten Produktion aus England warten, sondern kann mittlerweile bei entsprechender Offenheit gegenüber anderen Sprachen auch auf andere Länder zurückgreifen. Nachdem in letzter Zeit vor allem aus Polen (Quidam, Abraxas) einiges zu uns rübergeschwappt ist, wollten sich auch die Italiener nicht länger lumpen lassen. Mit Lost Tales haben sie wieder mal eine wirklich gute Band am Start, die sich zwar sehr solide gibt, aber dennoch ihrer Variation von Neo Prog mit den typischen südeuropäischen Eigenschaften anreichert: hier und da gibt es noch einige melodische Schlenker mehr, der italienische Gesang bekommt noch eine Spur mehr Ausdruck und Gefühl verliehen. Auf wirkliche Überraschungen wartet man vergebens, denn Lost Tales bleiben grundsolide und vertrauen auf Altbewährtes, womit sie aber nicht schlecht fahren, denn wie sie die Sache anpacken klingt nicht schlecht und überzeugt. Die kompakten Arrangements schwanken zwischen vier und acht Minuten, die üblichen Taktwechsel mit solistischen Einlagen an Keyboards und Gitarre sorgen für Dynamik, synthetischer Bombast mit ruhigen Zwischentönen erzeugen Klanglandschaften von fröhlicher Leichtigkeit, alles also da, was das Herz begehrt. Durch eine Prise unterschwellige Melancholie und feingliedrige anmutende Gitarrenlinien gelingt es dem Quartett aus Venedig den Songs eigene Persönlichkeit einzuhauchen. Doch das die Italiener nicht nur unbedingt die netten Jungs von nebenan sind, sondern auch den Sinn für Schräges haben, das beweisen sie im für die Platte untypischen, recht sperrigen "Big Erto in Magic Valley". Aber keine Angst, dies bleibt die Ausnahme und mit so einem Ausreißer sollte man seine Kundschaft nicht zu arg erschreckt haben.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1999