CD Kritik Progressive Newsletter Nr.27 (09/1999)
Michael Harris - Distorted views
(51:29, IMF, 1999)
In den 80ern sprossen sie wie Pilze aus dem Boden, die Gattung der sogenannten Wundergitarristen: Steve Vai, Joe Satriani, Yngwie Malmsteen und wie sie alle hießen. Ganz dieser Tradition folgend zeigt auch Saitenspezialist Michael Harris, was er technisch und in den verschiedensten Stilrichtungen so alles drauf hat. Und da wir uns ja bekanntlich inzwischen Ende der 90er befinden, dürfen natürlich auch einige progressive Schnörkel nicht fehlen. Obwohl es Harris bisweilen ganz schön krachen lässt, ist er doch im Allgemeinen kein Schnellfinger, der nur mit seiner Technik protzt, sondern er legt ebenso Wert auf gut durchdachte Songstrukturen. Sein stilistisches Füllhorn von typischen Heavy Elementen mit harten Riffs, bis hin zu verrückter - Pardon - verrockter Klassik (ein Ausschnitt aus Vivaldis "Vier Jahreszeiten", Inspiration durch Mozart in "Mozart's ghost", sowie einige akustischen Gitarrenschlenker) und Prog Metal mit Breaks, hohem Bangfaktor und sinfonischen Einfällen ("Transmigration of souls", "The end of forever..."). Selbst bluesige Ausflüge ("Blue Tokyo") oder leichter Jazz Touch ("Identiy crisis") finden ihren Platz in seiner Verschmelzung der Stile. Da der Gitarrist aus Texas nicht nur Gitarre, sondern auch noch Bass und Keyboards spielt, sind die Melodielinien fett und satt, aber keineswegs überladen. Die angeheuerte Rhythmusabteilung sorgt ebenfalls für wirkungsvolle Abwechslung, bei zwei Lieder bestimmen sogar Congas den Groove. Wenn sich andere Stile in ständigen Revivals üben, warum sollte dann nicht auch die Ära der Meister der sechs Saiten in die heutige Zeit gerettet werden? Michael Harris zeigt wie's gemacht wird. Yeah!
Kristian Selm
Kontakt: IMF Records, P.O. Box 863, Lewisville, TX 75067, U.S.A.
© Progressive Newsletter 1999