CD Kritik Progressive Newsletter Nr.27 (09/1999)

Gnidrolog - ...in spite of Harry's toenail
(68:39, Audio Archives, 1999)

Gnidrolog gehören in die feine Liga der Bands, die den Olymp bevölkern. Ihre Musik ist ein sehr komplexes, verwobenes Spiel, das Ähnlichkeiten zu Gentle Giant aufweist, ohne dem Sound dieser Band wirklich ähnlich zu klingen. Ihre ausgeprägt konzertanten Stücke entwickeln sich nicht nach herkömmlichen Mustern. Dramatisch und expressiv entwickeln sich auf dem Teppich der Gänsehaut-Stimme von Colin Goldring hochenergetische, musikalische und deutlich nicht-songhafte Strukturen. Zwischen lyrischen Ideen, die von akustischer Gitarre, Spinett, Flöte und Bass illuminiert werden und harten Rockpassagen, die crimsonesken Erdbeben in der Intension nahe kommen, entwickeln sich die sechs Songs der ursprünglich 1972 erschienenen Platte. Die Band entwickelt epische genauso wie frickelige Passagen (z.B. der zweite Teil "Skull" des ersten Songs "Long live man dead" die Band geht unisono, komplett unisono den harten Rock an, entwickelt aus einem sanften, von der Flöte bestimmtem Part - das habe ich nie zuvor gehört). Viele stille, lyrische Passagen hat die Band auf dieser, ihrer zweiten Platte (die erste Platte "Lady of the lake" ist ebensolcher fantastischer Qualität und Magie). Aus diesen stillen, teils rein akustischen Stücken entwickeln sich die heftigen, vor Eckkanten und Schräge strotzenden Übermütigkeiten. "Snails" ist so ein Beispiel. Da beginnt eine Flöte, bis sich steigernd eine Gitarre einwirft und den Song zu einem verrückten, wilden Rocksong entwickelt, der überwältigend daherkommt. Als würde eine Horde Ausgebrochener einen wilden, übermütigen Freudentanz feiern, immer wieder innehaltend und sich verwundernd fragend, wie ihnen denn dieser Ausbruch geglückt sei. Nur um wieder in den Freudentanz zu verfallen. Nach Melancholie und Humor klingt es ständig, in einem geglückten Wechsel der Gefühle. Die vier Bonusstücke haben nicht die Soundqualität, die ihr alle haben wollt. Aber sie sind ein sehr gutes Beispiel für die sonstige und Livearbeit der Band. Sie sollen nicht als schlechte Beigabe, sondern richtig verstanden werden - als zusätzliche Bonusstücke. Ach ja, wer wissen will, was Gnidrolog heißt, muss nur den Namen der Zwillinge Colin (lead voc, g, rec, sax, horn, harm) und Stewart (lead g, voc) Goldring umdrehen und ein wenig was verdrehen. Peter Cowling (bs, cello) und Nigel Pegrum (perc, fl, oboe, piano) sind auch heute, wie vor 27 Jahren wieder dabei. Die Band wird ein Livealbum (1972 aufgenommen) veröffentlichen und hat sich zusammengefunden, um eine brandneue Platte einzuspielen. Ich kann's kaum erwarten, das zu hören.

Volkmar Mantei



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