CD Kritik Progressive Newsletter Nr.26 (07/1999)
Tipographica - Floating opera
(72:09, Sistema 1997)
Wenn P.O.N. noch "leicht" zu hören sind, wird den Aufgeschlossenen der Mut bei den Japanern Tipographica wieder sinken, denn Tipographica gehen einen Schritt weiter. Das von überkomplexen Percussion+Drums angetriebene Konglomerat schräger, jazziger, freimusikalischer Töne gibt sich die Muße, Gitarren zum Beispiel nur gesampelt einzustreuen. Bläser setzen pointierte Akzente oder schweben auf episch-melancholischen Passagen, Keyboards verstehen sich grundsätzlich anders als beispielsweise, äh, die von Pallas (Welch ein Vergleich!). Hier und da kommen sogar leichte Ähnlichkeiten mit Ska auf. Nun, das wäre der nächste lächerliche Vergleich. Vor allem bestechen Tipographica durch die stets im Vordergrund agierenden Drums & Percussions. Darauf setzen sich avantgardistische Keys, Gitarrenfetzen, rhythmische Bläser. Hin und wieder piepst die Musik ausgelassen und freudig erregt nur noch, weit alle Grenzen und Ernsthaftigkeiten hinter sich lassend. Und - das erklingt nicht spinnert, sondern strukturiert, gewollt und mit Liebe entwickelt. Vielleicht ist dies sehr ernsthaft erwägte und hoffnungsvoll instrumentierte Musik, die irgendwo einen Sinn und Weg sucht und dabei immer wieder über die Grenzen schaut, aber nie ankommt, Musik hat kein Ende. Dazwischen gibt's dann aber auch schon mal hübsche und irritierend melodische Momente, die aus purer Ironie zu bestehen scheinen. Dennoch, diese Platte gehört dazu, zum Progressive Rock, sehr zum Ärger all derer, die die Grenzen immer enger gezogen sehen wollen und sich bald selbst ausklammern werden. Im übrigen sei vermerkt, dass ich nichts gegen Neo Prog habe, selbst besitze ich einige Platten und ich werde immer wieder zum Plattenhören animiert und entdecke dabei Platten, die ich mögen kann, doch das allein wird mich nicht befriedigen können. Macht das meinen Horizont weiter?
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 1999