CD Kritik Progressive Newsletter Nr.25 (05/1999)
Valinor's Tree - Kingdom of sadness
(42:12, Privatpressung, 1998)
Und noch mal etwas aus Skandinavien, dem Land mit dem unerschöpflichen Fundus an guten Progressive Rock Bands. Auch Valinor's Tree überwinden die Hürde des Gewöhnlichen mit Bravour. Es sind Zutaten von M wie Mellotron über G wie Grunge verwirbelt durch den Geist der 70er, inspiriert durch Bands mit den Buchstaben Ä wie Änglagård oder D wie Discipline, die den vier Longsongs (8:30, 10:50, 9:10, 13:33) genug trotzige Tiefe, aber auch melodiösen Freiraum lassen. Der Opener "Kingdom of sadness" mit weichem Mellotronintro und verspielten, aber druckvollen Drive erinnert an eine melodische Version von Änglagård. Doch ist er englischsprachige Gesang und die Melodieführung weniger spröder und zugänglicher. Der pumpende fette Bass, virtuoses Schlagzeug, sowie feine Pianolinien sorgen für unterschwellige Komplexität. Auch der Chorus geht gleich gut ins Ohr. "Cold" strahlt dann schon mehr von der typischen Melancholie des Nordens aus, obwohl Hoffnung immer durchschimmert. Schwermütig mit ruhiger Pianobegleitung beginnend, aber gegen Ende im gitarren- und keyboardgeschwängertem Bombast gipfelnd, entwickelt sich auf den fast 11 Minuten eine Reise durch tiefe Gefühlslandschaften. "Memories" erinnert mit seinen röhrenden, aber auch fragilen Gitarrentönen etwas an die frühen King Crimson, im Hintergrund anschwellendes Mellotron sorgt für reichlich Atmosphäre, des insgesamt eher ruhig gehaltenen Songs. Der Schluss-Song "Deep" beginnt ebenso verhalten, um aber besonders gegen Ende wesentlich aggressiver reinzuhauen und den Anfangs erwähnten angegrungten Gitarrensound einfließen zu lassen. "Kingdom of sadness" gehört wieder mal zu jener Art von Alben, die beim ersten Anhören schon ein gewisses Potential erkennen lassen, sich aber erst durch mehrmaliges Anhören vollständig erschließen und je öfters man sich dieses Werk anhört, immer besser werden. An die ganz großen Namen aus Schweden kommen Valinor's Tree noch nicht ganz heran, ihr CD Debüt ist aber zweifelsohne überaus anhörenswert und lässt für die Zukunft noch mehr erwarten.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1999