CD Kritik Progressive Newsletter Nr.25 (05/1999)
Fredrik Thordendal's Special Defects - Sol niger within
(43:18, UAE, 1997)
Die Extreme sind ausgereizt? So kann man sich irren. Was Fredrik Thordendal, Mastermind und Gitarrist der schwedischen Agresso-Metal Combo Meshuggah auf "Sol niger within" (Sol niger = die schwarze Sonne) abliefert, ist abgedrehte, düstere Brutal Musik in seinen tiefsten Abgründen. Er und seine Mitstreiter (u.a. die Herren Mats Öberg und Morgan Ågren, besser bekannt als Mats/Morgan) geben sich einerseits unheimlich brachial brutal, aber andererseits derart technisch ausgefeilt, dass diese Art Avantgarde Metal sowohl abstoßend, als auch auf der anderen Seite unheimlich beeindruckend wirkt. Die psychotische Reise ins Innere der eigenen Wahrnehmungen besteht aus nur einem, knapp 40-minütigen Titel, der in 29 Untertitel aufgegliedert ist und mit so bezeichnenden Namen wie "The executive furies of the robot Lord of Death", "Skeletonization" oder "Cosmic Vagina Dentata Organ" glänzt. Der "Gesang" wurde technisch total verfremdet und wirkt wie Stakkatostöße aus der Hölle. Dazu steuert Marcus Persson als Gastschreier sich überschlagende "Primal screams" (=Urschreie) bei, während Tomas Haake die Rolle des Psychonauten übernimmt und mit bedrohlicher Flüsterstimme seine Kommentare dazuhaucht. Gruselig grausig. Die soundtechnische Untermalung besteht aus peitschenden Akkorden (unglaublich abwechslungsreich und beeindruckend von Morgan Ågren hingetrommelt), dunkler, tiefgründiger Synthesizeruntermalung und brillanter Gitarrenbearbeitung in sensationeller Spieltechnik und mit abartigen Tonfolgen. Daneben werden auch Jazz und Progressive Einflüsse eingearbeitet, die dem energiegeladenen Wahnsinnswerk weitere interessante Höraspekte geben. Bis ungefähr zur 20.Minute wirkt die dargebotene Komplexität noch beeindruckend, doch dann folgen fast 10 Minuten voll schräger Dissonanz mit sakralen Georgel und abgedrehtem Saxophon, die die Grenzen der Belastbarkeit ausloten. Wer bis hier durchgehalten hat, ist schon fast dem Wahnsinn nah. Doch folgt noch ein brauchbares Ende, dass zwar nicht versöhnt, aber das extreme Klangspektakel wieder erträglich erscheinen lässt. Das Experiment mit düsterer Endzeitmusik und aller metallischer Gewalt unser Tage die seelischen Tiefen auszuleuchten ist gewagt, aber gleichzeitig auch unheimlich spannend. Die passende Musik zum Untergang der Menschheit.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1999