CD Kritik Progressive Newsletter Nr.24 (03/1999)
Et Cetera - Fin de siecle
(57:25, Privatpressung, 1998)
Nein, dies ist nicht das zweite Album des kanadischen Gentle Giant-Clones, sondern das mittlerweile dritte Album einer Band aus Dänemark. Mit Gentle Giant liegt man aber auch hier nicht völlig falsch. Entdeckt habe ich diese Band als fleißiger Leser der Gentle Giant-bezogenen Mailing-Liste "On Reflection", an der sich u.a. einige Musiker rege beteiligen (Advent, Lady Lake, Hands, Et Cetera etc.). Bei diesem 98 produzierten Werk handelt es sich um eine Privatpressung, dementsprechend sollte man die Ansprüche an die Produktionsqualität entsprechend ansetzen. Kopf der Band ist Frank Carvalho, der sämtliche elektrische und akustische Gitarren und Tasten bearbeitet, einige Bassparts beisteuert, für die programmierten Drums und fast alle Kompositionen verantwortlich zeichnet. Dazu kommen Sänger/Pianist Michael Munch-Hansen und - auf jeweils 2 Titeln - Schlagzeuger Johnnie McCoy und Bassist Anders Kjoerulff. Das Album wird mit einem knapp 9-minütigen Titel eröffnet, der zunächst recht unauffällig wirkt, gelegentliche Emerson-ähnliche Keyboards werden eingestreut, und gegen Ende zeigt Carvalho zum ersten Mal sein Talent für sehr gefühlvolle Gitarreneinlagen. Beim zweiten Titel fällt Sänger Munch-Hansen mit seiner arg wackeligen Stimme zum ersten Mal negativ auf. Stimmlich ist er hier nahe Justin Hayward anzusiedeln, leider wirkt er aber gar nicht stimmfest, so dass man gelegentlich bedauern muß, dass die eigentlich sehr schöne Melodie unter diesen Wacklern doch arg leidet. Schade. In anderen Songs kommt seine Stimme doch etwas besser rüber, manchmal erinnert es dann (incl. dem leichten Canterbury-Touch) an die kanadischen Terraced Garden. Mit "Gongtric" folgt gleich das erste Highlight. Was wie ein klassischer Gentle Giant-Song beginnt, entwickelt sich allmählich zu dem, was der Name bereits suggeriert, nämlich eine Mischung aus Ozric Tentacles und (ein wenig) Gong. Ähnlich hervorragend ist der 12-Minuten-Song "Anagrams", der gegen Ende verblüffend stark an King Crimsons "Larks' tongues in aspic" erinnert. Beide Highlights sind zufälligerweise genau die Songs, an denen der leibhaftige Schlagzeuger beteiligt ist. Nach einer eher prog-untypischen, durchprogrammierten, unerfreulichen Elektronik-Nummer beschließt der fast 10-minütige Titelsong (mit sehr schöner Mellotronuntermalung zu Beginn) wieder auf deutlich höherem Niveau dieses insgesamt recht interessante Album, das dem Freund des 70er-Progs trotz der angesprochenen Mängel durchaus gefallen könnte. Wo Verbesserungsbedarf besteht, liegt auf der Hand, doch ich bin überzeugt, dass es gerechtfertigt ist, diese Band weiter im Auge zu behalten.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 1999