CD Kritik Progressive Newsletter Nr.23 (12/1998)

Thinking Plague - In extremis
(52:33, Cuneiform, 1998)

Seit 1989 und dem letzten Album "In this life" war es plattentechnisch sehr ruhig um Thinking Plague geworden. Es erweckte vielmehr den Eindruck, dass die Band sich aufgelöst hatte. Nachdem 1994 Bandmitbegründer Bob Drake auch noch nach Frankreich auswanderte, schien sich dieses Gerücht zu bewahrheiten. Doch der andere übriggebliebene Mitbegründer von Thinking Plague, Mike Johnson, scharrte 1996 neue Musiker um sich, um die Band fortleben zu lassen. Mit dabei, u.a. der Wahnsinntrommler David Kerman, ansonsten bei den 5uu's oder auch aushilfsweise bei Present tätig. Schon zu Beginn wurde die Musik der Amerikaner im Grenzbereich zwischen Rock, Folk, Jazz und moderner sinfonischer Musik angesiedelt oder wie es das Plattenlabel selbst beschreibt "als Mischung aus King Crimson, Shylock, Henry Cow, Soft Machine, Zappa und weiß Gott noch was". Meiner Meinung nach gehört zu weiß Gott noch was auf jeden Fall der Name Yes und zwar in musikalischer Hinsicht aus deren "Relayer" bzw. "Tales" Phase. "In extremis" ist somit definitiv kein einfaches oder zugängliches Album, strotzt aber aufgrund seiner wohldurchdachten und sehr fein arrangierten Komplexität vor genialen Einfällen. Ruhige, wie auch verschachtelte, stilistisch sehr sprunghafte Arrangements biegen sich geschmeidig über die sphärische Stimme von Deborah Perry. Anmutige Linien im musikalischen Freistil - Chaos, das Spaß macht. Besonders Mike Johnson an diversen Saiten- und Tasteninstrumente, sowie der manisch trommelnde David Kerman sind es, die die Musik von Thinking Plague nachhaltig prägen. Einziges Manko bleibt der Eindruck, dass die Lieder aus zu vielen Einzelteilen bestehen, und damit manchmal eher nach Stückwerk, als nach einer geschlossenen Komposition klingen. Diese Scheibe ist sicherlich für viele zu durchgeknallt, aber wer sich mit schrägen Tönen anfreunden kann, bekommt ein echt abgedrehtes Meisterwerk, dessen Inhalt nicht zum Selbstzweck dient, sondern bei der entsprechenden Neigung einen neuen musikalischen Kosmos erschließt. Deswegen nicht für jeden zu empfehlen, aber trotzdem absolut empfehlenswert.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1998