CD Kritik Progressive Newsletter Nr.21 (07/1998)
Mad Tea Party - The marionette
(68:23, InterPool Records, 1998)
Nach langer Zeit endlich mal wieder was aus deutschen Landen, was wirklich total eigenständig klingt (okay, Esperanto im PNL Nr.19 waren auch nicht so schlecht). Inwieweit dies die progressive Gemeinde erreichen wird, ist leider etwas fraglich, denn mit dem was alles so landläufig in diese ziemlich große Schublade reingezwängt wird, hat das Album "The marionette" nicht immer etwas zu tun. Dennoch ist dieses CD-Debüt überaus erwähnenswert und höchst interessant, verbindet es doch leicht verdaulichen Jazz Rock, Fusion, Pop und Art Rock zu einer geschmeidigen, gut musizierten und auch wirklich gut(!) gesungenen Mixtur, die als Eigenkreation, als "Art Pop" bezeichnet wird. Pop ist an dieser Stelle nicht das vielgeschmähte Zeriss-Substantiv, nein, Mad Tea Party vertrauen auf eingängige, wenn auch sehr melancholische Melodiebögen, die nie platt klingen, sich aber irgendwie hinterrücks ins Gedächtnis graben. Gemein und genial. Trotzdem muss man die Musik mehrfach anhören, um sie zu durchschauen. Das Kombinieren unterschiedlicher Taktarten und die Verschiebung von Akzenten endet nicht in Taktgefusel, auch sind Vergleiche zu anderen Bands nur sehr schwer zu finden. Als grobe Ansätze dienen hier bestenfalls in Teilen noch Gino Vanelli, Saga, Gentle Giant oder Tea In The Sahara. Aber wie gesagt, nur in groben Ansätzen, denn die fünf Kölner sind nur sehr schwer zu kategorisieren. Wer auf komplexen Art Rock steht, kommt im über 19-minütigen "She" auf seine Kosten, wer es etwas poppiger und leicht jazzig mag, dem empfehlt der Chefkritiker den Opener "Love in a square" oder als melancholischer Abschluss eines verträumten Tages die Ballade "Every day". Eine wirklich interessante Neuentdeckung mit einem ganz eigenen, sehr relaxten Stilmix.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1998