CD Kritik Progressive Newsletter Nr.18 (01/1998)

Court - Distances
(62:52, WMMS, 1997)

Es war im Sommer '94 als ich das unvergessliche Vergnügen hatte, Court im Rahmen eines Progressive Rock Festivals in Stuttgart live zu erleben. Zuvor hatten die Lokalmatadoren von Ivanhoe kräftig abgeräumt, und der Großteil des Publikums hatte bereits den Saal verlassen. Gegen 23 Uhr waren dann noch rund 50 Verwegene da, trotzdem boten Court den Anwesenden ein absolut grandioses und unvergessliches Konzert. Selten habe ich erlebt, dass Musiker ihr ganzes Gefühlsleben so gnadenlos auslebten. Nun sind drei Jahre vergangen und noch immer sieht es mit den Studioqualitäten der Italiener nicht anders aus, denn bei "Distances" geht es mir wie beim digitalen Vorgänger. Auf Tonträger hat die Musik bei weitem nicht den mitreißenden Charakter der Liveauftritte. Das folkig-klassische Flöten- und Oboenspiel gibt der Musik zwar eine außergewöhnliche Würze, auch verfügen die ausgedehnten Songstrukturen über psychotische Stimmungen und hypnotisierende Rhythmen, Magie und Energie gelangen aber nur schwerlich in die eigene Gefühlswelt. Ausdrucksstarker Gesang in schlechtem Englisch, ein noch verzeihbares Manko, aber hinzu kommt ziemlich ähnlicherer Liedaufbau, dies erzeugt auf Dauer nur beschränkt inhaltliche Spannung. Der melancholische Grundcharakter, die Mischung aus ruhigem Progressive Rock und Folk, ja hier und da schimmert der alle umfangende Zauber durch, jedoch zündet die Musik von Court wahrscheinlich nur richtig im Livegewand. Dennoch sollte sich niemand der auch das Debüt besitzt abschrecken lassen, denn musikalisch sind sich Court zweifelsohne treu geblieben.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1998