CD Kritik Progressive Newsletter Nr.18 (01/1998)
Parallel Or 90 Degrees - Afterlifecycle
(69:50, Cyclops, 1997)
Gruppen, die es allen recht machen wollen, erleiden meist Schiffbruch, da sie sich zwischen alle Stühle setzen. Parallel Or 90 Degrees, eine neue Band aus Leeds, laufen dieselbe Gefahr, dennoch geht ihre Gratwanderung zwischen hammondlastigen Artrock (The Nice, Van Der Graaf Generator), anspruchsvoller Eingängigkeit (Al Stewart im Gesang und in der Stimmung) und modernen, sphärischen Space Rock Sounds meist gut. In bester Keith Emerson Manier erfolgt in schier unendlichen Instrumentalpassagen ein ausgiebiges Waten im Orgelsumpf. Um aber nicht zu überladen zu wirken, spendiert die Band schon mal ein paar melodiöse Schnörkel. Bestes Beispiel für die Vielschichtigkeit ist der fast 22-minütige Titelsong. Nach einem kurzen Hammondintro folgen fette Sounds in moderner ELP-Manier, die nach fünf Minuten in einen ruhigen, minimalistischen Zwischenteil münden, der von einem euphorischen Gitarrensoli beendet wird. Die anschließende Tour De Force an den Keyboards schwankt zwischen Ruhe und Tempo, und streut neben gewohnten Klängen sogar leichte Technorhythmen ein. Dieser Megatrack wirkt nie langweilig und zeigt die Band auf voller Höhe. Im weiteren Verlauf kommen noch akustische Gitarrenparts dazu, die Synthese zwischen alt und neu erfährt ständig neue Erweiterungen, jedoch erreicht sie nicht immer die Klasse des Titelsongs. Eine Band, die wirklich im wahrsten Sinne des Wortes versucht progressiv zu bleiben, wobei das Resultat zwar nicht als überragend, aber als sehr gut und gelungen, vor allem wegen fähigen Musikern und brauchbaren Ideen, bezeichnet werden kann.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1998