CD Kritik Progressive Newsletter Nr.18 (01/1998)
Mongol - Doppler 444
(49:04, Belle Antique, 1997)
Auf wärmste Empfehlung des Kollegen Selm hin, widmete ich mich dieser japanischen CD mit dem komischen Titel. Doch auch die vier abgebildeten Herren haben mit Driller, Mongol, Stamper und Ultra-Pump recht exaltierte Spitznamen (teils lautmalerisch passend zu den Instrumenten wie ich meine). Bis jetzt ja noch ganz nett das alles. Interessant vielleicht noch, dass die CD erst jetzt herausgekommen ist, aber anscheinend über den nicht gerade kurzen Zeitraum von 1988 bis 1996 aufgenommen wurde! Nun aber zur Musik... Da soll es also recht bombastisch und flott zugehen. Nun ja, der erste Titel schmeißt mich nicht gerade aus dem Lümmelsessel. Ein sehr ruhiger Anfang mit Dschungel-Soundeffekten geht dann in einen Kenso-gefärbten Teil mit schöner, weicher Gitarre über. Ja, ja, schon recht, aber wo bleibt denn nun die Action. Doch kurz bevor ich völlig im Polster zu versinken drohe, bläst es mir auf einmal so dermaßen entgegen, dass ich unvermittelt wegkatapultiert, und unter dem durch den Raum fliegenden Sessel begraben werde. Trotz der davongetragenen Quetschungen löst diese Musik gleich Begeisterung aus, wenn auch (zu diesem Zeitpunkt) noch nicht ungeteilte. Die Kompositionen sind rein instrumental, bombastisch, komplex und meist im Up-Tempo-Bereich angesiedelt. Ich hätte, auch ohne es zu wissen, auf Japan als Herkunftsland getippt, denn der typische Hochglanzbombast weist deutlich den Weg. Aber Mongol ist nicht total keyboardlastig so wie andere Nippons (Ars Nova), sondern die fetzige E-Gitarre und die Keyboards teilen sich die Aufmerksamkeit brüderlich. Die Tasteninstrumente arbeiten übrigens nur mit modernen Sounds, Hammond und Mellotron bleiben außen vor. An Soli wird nicht gespart - logisch bei Instrumental-Prog. Im Laufe der CD wird das Teil immer besser, die Kompositionen immer vielseitiger. Da tauchen auch mal schräge Töne auf, die Songs werden noch komplexer und voluminöser. Die Kritiker werden zwar sagen "noch überladener", aber wer auf solchen Prog ähnlich wie bei Magellan steht, bekommt genau die Dosis, nach der er lechzt. Das Ganze gipfelt schließlich im 18-minütigen Schlusstrack "Greatful paradise", wo sich die vier so richtig austoben können. Anfangs im Untertitel "Inception" ein minutenlanger, schwerer Stampfrhythmus, so als ob Godzilla höchstpersönlich gleich um die nächste Ecke kommen würde, um die kleine Sushi-Bar an derselbigen platt zu machen. Dazu lässt Hirofumi "Driller" Mitoma gnadenlos seine Saiten jaulen. Später folgt dann ein kaum weniger bedrohlich wirkender, ruhigerer "Wabberteil" mit schrägen Sounds, der schließlich in ein Finale Furioso endet, das durchaus ein Happy Family-Hektiknivaeu erreicht. Obwohl der Körper völlig ausgepowert zurückbleibt, verlangt der Geist sofort nach einer Zugabe, und so fand ich mich in der endlosen Repeat-Schleife wieder, in der ich mich, jetzt da Ihr dies hier lest, wahrscheinlich immer noch befinde.
El Supremo
© Progressive Newsletter 1998