CD Kritik Progressive Newsletter Nr.18 (01/1998)
High Tide - High Tide
(32:33, Repertoire Records, 1970)
1969 formierte sich die britische Band High Tide. Tony Hill (g) hatte Anfang der sechziger Jahre in der Beatcombo The Answers, später in der Psychedelic Band The Misunderstood gespielt. Mit Simon House (vi - in den Siebzigern für vier Alben bei Hawkwind), Peter Pavli (b), Roger Hadden (dr) und Denny Gerrard (Ex- Warm Sounds) fand sich eine Band zusammen, die "in the progressive vein" musizieren wollte. Kaum hatten sie das geäußert, hatten sie schon ihren Plattenvertrag bei Liberty Records. Das waren noch Zeiten! Ein Jahr später lag ihr erstes (von zwei) Alben im Plattenladen. 1970 folgte dieses ihr zweites Album, heute beide Raritäten. "Blankman cries again" (8:28) ist ein harter, von Violine und Gitarre bestimmter Song. Keyboards gab es in der Band nur zweitrangig. Denny Gerrards Stimme erinnert hier vor allem an Jim Morrison von The Doors. Treibender Sound gibt leicht spacigen, psychedelischen Anklang. Die Violine treibt den Hard Rock in progressive Gefilde, jazzige Ausflüge à la Mahavishnu Orchestra finden sich hier nicht. "The joke" (9:29) wechselt zwischen hart rockenden und sanft und lyrischen folkigen Passagen. Die sehr schöne Melodie wird im Wechselspiel von Violine und Gitarre anmutig verspielt intoniert, bis sich plötzlich wieder ein bösartiger Hard Rock der Noten bedient. Ziemlich kraftvoll, das ganze. "Saneonymus" (14:30) schließlich löst sich von songdienlichen Strukturen. Free Rock könnte ich die ersten Minuten nennen. Gitarre und Violine solieren nebeneinander her, und die Drums unterstützen mit schwierigem Takt die wildgewordene Band. Doch plötzlich ebnet sich ein Weg, und die Band findet eine epische Weite, die hier wieder den psychedelischen und spacigen Charakter trägt. Der lange Instrumentalteil gipfelt wieder im Free Rock, platzt auf und lässt eine letzte lyrische Strophe aus den Boxen quellen. Den Sänger hätte man mal herumreichen sollen, viele Bands haben gute Alben mit Scheiß-Sängern gemacht, der hier ist das Singen wert, und macht die Platte heute absolut noch anhörenswert. Nach diesem Album kam es zum Split und "the progressive vein" hatte eine Band weniger.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 1998