CD Kritik Progressive Newsletter Nr.17 (11/1997)
Nightales - The voyage
(62:36, Mellow Records, 1996)
"Vor vielen Jahren wurden die Weltmeere von Seeleuten bereist, die auf der Suche nach Reichtum waren." Mit solch bedeutungsschwangeren Worten beginnt die Geschichte des Konzeptalbums des amerikanischen Trios Nightales. In rein instrumentaler Form wird innerhalb einer Stunde musikalisch die Geschichte der Entdeckung verschiedener Inseln im Pazifik, und der sich um diese rankenden Mythen und Märchen erzählt. Die Abfahrt ist ruhig, dargestellt durch weit ausufernde Keyboard- und weinerliche Gitarrenklänge. Auf der hohen See geht es dann im wahrsten Sinn des Wortes hoch her - in zehn Minuten zeichnet bei anfänglich rauer See die Gitarre von Ben Jaeger stetig den Weg vor, erinnert dabei stark an Andy Latimers Saitenausflüge bei Camel. Im weiteren Verlauf kommt man in ruhiges Fahrwasser, und der morgendliche Sonnenaufgang erzeugt verträumte Erinnerungen an die zurückgelassene Heimat. Mild und langanhaltend sympathisch treffen die Tastenläufe die verträumte Seele. Nachts zieht der Mond ruhig seine Bahn, langgedehnte Akkorde lassen die Ruhe fühlbar werden, vor dem inneren Auge sind diese Momente fast schon sichtbar. Auch die schier endlosen Tage auf See erfahren durch verschwommene, verklärte Klänge, auch mal als gesampeltes Mellotron des Keyboarders Mark Walczak ihre Visualisierung. In ruhigen, dennoch abwechselnden Metren steuert Schlagzeuger Ken Lotz seinen Teil bei. Klassische Einflüsse durch Oboe, Flöte und Klarinette geben der Begegnung mit fremden Welten neuen Raum. Dass dieses Zusammentreffen nicht ohne Konflikte abgeht, wird mit dunklen Klängen und in Mid-Tempo gehaltener Umsetzung aufbereitet. Die Gitarre schraubt sich solistisch durch das Kampfgetümmel, kann jedoch die Verluste in den eigenen Reihen aufhalten. Schüsse sind zu hören, der Sieg über die fremden Völker ist schwer erkämpft worden, der gruselige Marsch der Toten bildet den tragischen Höhepunkt. Die Heimreise ist vom Tod Victors überschattet, von dem in voller Trauer Abschied genommen werden musste, Orgeln und Geläut verkünden dies. Dennoch ist die Grundstimmung der Rückkehr positiv, das Grundthema vom Anfang wird wieder aufgenommen, dennoch haben sich einige Moll-Klänge eingeschlichen. In sich wirkt das Ganze kompakt, schlüssig und melodisch, ohne besondere Risiken eingehen zu müssen. Eine melodische, instrumentale, streckenweise eine Spur zu langatmige Reise für verträumte Momente mit traurigem Happy End.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1997