CD Kritik Progressive Newsletter Nr.17 (11/1997)

Höyry-Kone - Huono Parturi
(49:01, Ad Perpetuam Memoriam, 1997)

"Beata Viscera" macht den Hörer verwundern. Über sanft-stillem, lyrisch-geschwungenem Keyboardteppich erklingt mönchischer Gesang. So kennen wir die Band nicht. Das Booklet verrät, dass Lyrics und Musik arrangiert "by Perotinus" sind. Wer immer das sein mag, ab Titel Nummer zwei regiert mit kräftigem, harten Beginn der höyry-konische crimsoneske Avantgarde Rock. "Karhunkaato", dritter Song und erster mit Gesang von Topi Lehtipuu, offenbart, wie der heimliche Wahnsinn in Finnland grassiert. Solch obskure, genial kafkaesken (falls man so vergleichen kann!) Kompositionen sollten einen breiten Hörerkreis finden. Nicht, dass ihre Musik so eingängig ist, dass man sie schnell versteht. Nein, der wohlüberlegte und unübertrefflich arrangierte Sound, der mit harter E-Gitarre, abstrakter Violine und fast schon krankem Cello zelebriert wird, und dabei von einem donnerndem Bass und polternden, (fast) nie leisen Drums untermauert wird, bringt zum Ausdruck, dass es hier gar keine Songs gibt. Egal ob die "Stücke" zwischen zwei und sechs Minuten lang sind, hier verschwimmen Grenzen, und kein Hörer wähnt Langeweile oder bekommt das Gefühl, dieses oder jenes schon mal gehört zu haben. "Baksteri" ist ein knapp zweiminütiger, fröhlicher Ausflug in die Klapsmühle nebenan, bei Sonnenschein und zufriedenen Gesichtern. Eine fast schon dixie-mäßige Illumination abstruser Musikalität. "Huono Parturi" gleich darauf offenbart eine Sangesstimme, die in keiner anderen Musik besser zu Hause wäre. Zu dieser Musik kann man sich mit Benzin besaufen, mit Wilden rohes Fleisch fressen und einen Stall voll Frauen schänden. Die Stimme singt zwar nicht davon (nehme ich an), aber sie IST so. Keinesfalls will ich sagen, dass eine gewisse Melancholie fehlt oder dass sensible Noten nicht von dieser Band intoniert werden. Doch aus diesen vorhandenen lyrischen Momenten wächst eine ebensolche verwirrende, stets anmutige Atmosphäre (mit Folkgefühl), wie sie von den harten und scheinbar grenzenlos gutgelaunten, wenn auch mollastigen Stücken vermittelt wird. Schade, dass die CD nicht mal 50 Minuten lang ist, ich würde drei Doppel-CDs vertragen, voll bis an die Grenze. Kein Metal ist härter, keine moderne Oper abgedrehter und kein Popsong eingängiger (Ach?!). So stelle ich mir die Musik von morgen vor, frei von irgendwelchen kommerziellen, sprich finanziellen Abhängigkeiten, jenseits musikalischer und geschmacklicher Grenzen. Oh, Mist, jetzt hab' ich meine Tastatur gefressen...

Volkmar Mantei



© Progressive Newsletter 1997