CD Kritik Progressive Newsletter Nr.16 (08/1997)
Hands - Hands
(71:25, Shroom Productions, 1996)
Faszinierend, welche Überraschungen der gute Herr Jörger ab und an auf Lager hat. Letztens erhielt ich unter anderem eine CD einer amerikanischen Band, von der ich vorher noch nie gehört hatte: Hands. Das titellose Album erschien 1996 auf dem mir ebenfalls völlig unbekannten Label Shroom Productions. Einmal kurz reingehört, und schon war klar: das ist genau meine Wellenlänge. Dem sehr schön aufgemachten Booklet (das Frontcover enthält übrigens das "Instrumentenmännlein", das auch auf dem Debütalbum von Harmonium zu sehen ist) ist die komplette Biographie zu entnehmen, ähnlich liebevoll gemacht wie bei unseren alten Bekannten von Musea. Hier ein kurzer Extrakt: Hands stammen aus Dallas, und blicken auf eine kurze, aber lebhafte Bandgeschichte zurück. Im Laufe der Zeit spielten insgesamt 14 Musiker in der Band, die vorher u.a. unter den Namen Ibis und Prism firmierte. Den Kern bildeten Steve Parker (Bass / Guitars / Keyb / Drums / Perc / Posaune / Voc), Ernie Myers (Guitars / Mandolin / Drums / Perc / Voc), Michael Clay (Keyb / Piano / Tubular bells / El.gtr) und John Rousseau (Drums / Perc / Tuned Percussion / Voc), dazu gesellten sich schließlich als permanente Mitglieder Skip Durbin (Flutes / Saxes / Oboe / Klarinette / Other Woodwinds / Keyb / Perc / Voc) und Paul Bunker (Viola / Geige / Sitar / Quatro / Keyb / Perc / Voc). Die Aufnahmen zu diesem Album erstreckten sich über einen Zeitraum von 4 Jahren ('77 - '80), in denen die Formation einigen Personalwechseln unterlag. So finden sich auf dieser CD noch diverse Musiker, die über kurz oder lang ebenfalls zum Hands Line-Up gehörten, wie z.B. der gute Sänger Tom Reed oder Keyboarder Shannon Day, Violinist Mark Menikos, um nur einige zu nennen. Der bewusst ausführlich aufgelisteten Besetzung ist zu entnehmen, dass die Musiker recht vielseitig sind, und eine Instrumentenvielfalt erkennbar ist, die einen glatt an Bands wie Gentle Giant erinnert. Dies ist kein Zufall, denn Hands zählten illustre Gruppen wie Gentle Giant, Yes, Zappa, King Crimson, Jethro Tull zu ihren Vorbildern, was mehrfach in ihren sehr abwechslungsreich gestalteten Kompositionen seinen Niederschlag findet. Zu Gentle Giant gibt es denn auch ein kleines Anekdötchen: während einer GG-Tour durch die USA konnten Hands ihr großes Ziel, als Support Band ihrer großen Vorbilder zu agieren, in die Tat umsetzen. Nach dem Konzert sprachen sie mit einem begeisterten Derek Shulman, der sehr von dieser Band angetan war, ihnen aber davon abriet, kommerziellen Erfolg mit derart komplexer Musik zu suchen (GG hatten seinerzeit selbst mit "The missing piece" einen anderen Weg eingeschlagen). Das vorliegende Album bietet über 70 Minuten spannenden End-70er-Art-Rock, der neben den eingangs erwähnten Größen auch stellenweise an Bands wie Stackridge ("Extravaganza"), Strawbs, Kansas, Happy the Man oder - in ruhigen Passagen mit Flöte und Mellotron - sogar an Harmonium erinnert. Trotz der Instrumentenfülle wirkt das Album niemals überfrachtet, Flöte und Violine spielen eine prägende Rolle, sogar die Gesangsdarbietungen sind einwandfrei. Hands, eine überaus angenehme Überraschung, und sicherlich wert sie Freunden der beschriebenen Richtung wärmstens zu empfehlen. Abgesehen von den beiden letzten der insgesamt 14 Titel ein durch und durch überzeugendes Album. Von der Vorgängerband Prism ist bei diesem Label anscheinend ebenfalls eine CD-Veröffentlichung zu erwarten. Ich bin mal sehr gespannt, was da noch auf uns zukommt. Hands ist jedenfalls eine der besten Wiederveröffentlichungen der letzten Monate.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 1997