CD Kritik Progressive Newsletter Nr.16 (08/1997)
Ajalon - Light at the end of the tunnel
(60:14, Hope Records, 1996)
Wer sich halbwegs intensiv mit der Person Rick Wakeman beschäftigt hat, weiß von seiner tiefen Verbundenheit mit dem christlichen Glauben, und seinem enormen Engagement in dieser Richtung. Vor einiger Zeit hat er sein eigenes Label Hope Records gegründet. Neben hausinternen Veröffentlichungen (mittlerweile hat auch sein ältester Sohn Oliver ein Album produziert) dient dies auch als Plattform für andere Bands, deren Wurzeln im Christian Rock liegen, einer Richtung, die mir - zugegebenermaßen - weitgehendst fremd ist. In seiner Vorankündigung beschrieb Wakeman selbst die Musik dieser amerikanischen Formation als leicht Yes-angehaucht. Eine derartige Aussage aus kompetentem Munde machte mich natürlich neugierig, zumal er auch darauf hinwies (wohlwissend um das Abschreckungspotential des Begriffes Christian Rock), dass dem geneigten Hörer nicht alle 10 Sekunden ein "Preiset den Herrn" eingetrichtert wird. Nach dem ersten Durchlauf war ich zunächst leicht enttäuscht, denn Yes-Einflüsse habe ich wahrlich nicht heraushören können. Statt dessen kam zum Teil lupenreiner Neo-Prog der gepflegten Mittelklasse aus den Boxen. Ajalon ist ein Trio, bestehend aus Wil Henderson (Gesang / Bass), Randy George (Gitarren / Bass / Tasten) und Dan Lile (Schlagzeug). Die 60 Minuten Spielzeit verteilen sich auf 7 durchschnittlich 6 Minuten lange Songs und einen 18-minütigen Longtrack. Es gibt gute Neo-Prog Nummern wie den Eröffnungstitel "The illusion of permanence" mit ausgewogener Gitarren-/ Tastenarbeit, und einem Gesang, der, mit etwas Phantasie, stellenweise leicht an Trevor Rabin erinnert. Andererseits driftet es manchmal in seichtere Gefilde ab, so erinnern Titel wie "Girl on a swing" oder "Commonwealth" an Barclay James Harvest, die (very) easy listening-Nummer "To fly with you" mit Stampf-Rhythmus, Billig-Refrain und Dire Straits-mäßiger Gitarre fällt ebenfalls etwas ab. Der abschließende Longtrack "The long road home" (genau 18:19 long) entschädigt dann wieder halbwegs für manchen vorausgegangenen Leerlauf. Hier zeigen die Amerikaner, dass sie doch einiges zu bieten haben, und nach mehrmaligem Hören entdecke ich hier schließlich auch tatsächlich eine überraschende Ähnlichkeit mit einem Yes-Titel vom Drama-Album. Fans leicht verdaulichen Neo-Progs werden dieses Album vermutlich (mit Abstrichen) mögen, aber man muss sicherlich nicht alle Hebel in Bewegung setzen, um dieses Album unbedingt zu bekommen. Einige härtere Passagen, die völlig fehlen, hätten diesem Album vermutlich gut getan. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich Ajalon entwickeln, ein zweites Album ist angeblich bereits fast im Kasten. Diesmal hoffentlich mit etwas mehr Biss, und hoffentlich eher in Richtung "Long road home", wo sie angedeutet haben, was sie kompositorisch drauf haben.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 1997