CD Kritik Progressive Newsletter Nr.15 (06/1997)

Versus X - Disturbance
(57:40, Musea, 1997)

Wie so viele andere deutsche Bands, machen es auch Versus X mit ihrer mittlerweile zweiten CD nicht unbedingt einfach. Das Schlussresümee vorziehend, gewinnen jedoch die positiven Eindrücke nach mehrmaligen Anhören immer mehr die Oberhand und geben einem fraglos das Gefühl eine überdurchschnittliche Produktion gehört zu haben. Um aber gleich am Anfang mit der Tür ins Haus zu fallen, bleibt festzuhalten, dass wie so oft der leidliche Gesang für Abzüge beim Hörgenuss führt. Sicherlich kann man mit geübtem Ohr über einige Schwächen hinweghören, doch Arne Schäfers Stimme lässt nach meinem Gusto Volumen, Abwechslung und Ausdruck vermissen. Doch Ohren zu und damit zu den positiven Elementen bei Versus X. Besonders auffallend ist der sehr variable und abwechslungsreiche Stil von Keyboarder Ekkehard Nahm, der auch stellenweise nur am Piano gekonnt Akzente setzen kann. Auf den drei Liedern der CD (2 x 17½, 1 x 22½ Minuten) bekommt er ausgiebig Platz für solistische Ausflüge, die nicht wie bei anderen Kollegen nur in schnellen Tastenläufen münden, sondern, mal mit einer Portion Dramatik versehen, dann wieder etwas ruhiger, in fast gesamter Länge voll und ganz überzeugen können. Versus X gelingt in vielen Phasen der gewagte Spagat zwischen virtuosem Art Rock der 70er und dem melodiösen Neo Prog der 80er, wobei Abwechslung groß geschrieben wird, die Songstruktur darunter aber nicht leidet. Nicht mit Bombast, sondern vielmehr mit inhaltlicher Dichte und Dramatik versucht man den Hörer zwischen gelegentlichen Keyboard- und Gitarrensoli zu fesseln. Ein über weite Strecken gelungenes Experiment, wobei natürlich bei der Länge der Lieder nicht immer gleichbleibendes Niveau gehalten werden kann. Betrachtet man nur die Steve Hackett-mäßigen Gitarrenheuler und einige Instrumentalparts, so sind diese mit Sicherheit das Beste, was es in letzter Zeit aus unseren Landen zu hören gab. Tja, wenn da der Gesang nicht wäre...

Kristian Selm



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