CD Kritik Progressive Newsletter Nr.14 (04/1997)

Domácí Kapela - Jedné noci snel
(49:22, Rachot, 1996)

Aus der Reihe "Stimmen und Musik zum Erschrecken meiner Mitmenschen, oder wie werde ich Einzelgänger" heute dieses Teil, denn was ist schon von einer CD zu erwarten, deren erste aus dem tschechischen übersetzte Liedzeile "Dies ist das Ende" heißt? Diabolische Musik für dunkle Gedanken! Vor einigen Jahren wären Domácí Kapela bei mir sehr schnell aus dem Player gewandert, mit erhöhter Abhärtung gelingt es einem immer mehr in Tiefen der menschlichen Seele vorzudringen. Huah, jetzt wird es poetisch tiefschürfend! Das Sextett aus der tschechischen Republik schafft es in beeindruckender Weise, langsam kriechende Akkordstränge zu einem dichten Klangteppich zu weben. Sängerin Michaela Nemcová setzt mit klassischer, teils abartig hoher Stimme, operngleiche, ungewöhnliche Akzente, die für einige schon zu viel sein werden. Den instrumentalen Unterbau liefern ihre fünf Mitmusiker an Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboard und Violoncello. Dunkle, schleppende Gitarrenklänge fast schon aus dem Metal Bereich, paaren sich mit ausgefeilter Rhythmik von Schlagzeuger Jan Brabec. Das stimmungsvoll eingesetzte Cello verleiht den moll-lastigen Tonfolgen, den bedrohlichen Klangfarben noch mehr Tiefgang. Dichte Strukturen, die in spannender, monotoner Dynamik unwillkürlich die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Zwar besitzt die Musik von Domácí Kapela keine Melodien, die dem Ohr sofort Halt geben können, dennoch haben die düsteren Reisen Wiedererkennungswert, und sind in keiner Weise atonale Klangexperimente zum Wahnsinnigwerden im Selbstversuch. Aber in welche Schublade werden nun die Lieder über "Zabiják" (Mörder) und "Bitevní pole" (Schlachtfelder) gesteckt? Nun, ich habe bisher noch keine passende gefunden. Klassische Elemente, repräsentiert durch Gesang, Cello, stellenweise auch im Arrangement, treffen auf depressive und harte Gitarrentechnik. Im Gesamteindruck ist die Musik gekonnt gespielt, und mit ihren inhaltlichen Variationen in dieser Form durchaus neu interpretiert. Stilistischer Höhepunkt ist das die CD abschließende "Maska" mit mächtig viel Georgel, das in jedem Horrorfilm Platz fände - einfach herrlich gruselig. Ach übrigens, nicht das hier der falsche Eindruck entsteht, dass ich tschechisch könnte. Als Übersetzungshilfe dienten die englischen Übersetzungen im Booklet. Man soll sich ja nicht mit fremden Federn schmücken!

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1997